80 Jahre Pfadfinder St. Georg
Das Stammesleben wird bis heute durch vielerlei Veranstaltungen geprägt.

Heute ist der Stamm Freising der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) mit ca. 145 aktiven Mitgliedern ein großer und wichtiger Träger katholischer Jugendarbeit in Freising.
Vieles hat sich geändert, seit der Stamm 1932 gegründet wurde. Wirft man heute einen Blick in die sorgfältig geschriebenen Chroniken und betrachtet die Fotos darin, wirkt vieles fremd. Die Bilder aus den unmittelbaren Nachkriegsjahren haben einen deutlich förmlicheren und steiferen Charakter, als man dies von den Bildern aus späteren Jahrzehnten kennt. Von diesen Äußerlichkeiten abgesehen gibt es vieles, was sich diese 80 Jahre hinweg durchgehalten hat. Die vielen gemeinsamen Unternehmungen, Zeltlager und Aktionen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Stammes. Dies gilt auch für die vielen Freundschaften, die aus den Pfadfindern hervorgegangen sind und oft ein Leben lang bestanden und bestehen.

Die Geschichte begann in schwierigen Zeiten. Nahezu zeitgleich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten gegründet, bekam der junge Stamm der Freisinger Pfadfinder früh die feindliche Haltung der neuen Obrigkeit zu spüren, die der NS-Staat gegenüber allen Gruppen kirchlicher Jugendarbeit an den Tag legte. Schon 1934 wurde den Pfadfindern das Tragen der Kluft, von Abzeichen und Bannern verboten, womit man sie wesentlicher Identitätsmerkmale beraubte. Ab Dezember 1936 mussten alle Jugendlichen zwangsweise Mitglied der Hitlerjugend (HJ) werden. Dennoch gelang es, zunehmend heimlich, das Gruppenleben aufrechtzuerhalten, bis die Mitgliedschaft in allen anderen kirchlichen Jugendorganisationen außer der HJ verboten wurde. Innerhalb weniger Jahre war es dem NS-Staat gelungen, die weitverzweigte und einflussreiche kirchliche Jugendarbeit praktisch gänzlich zu eliminieren. In Freising versteckten die Pfadfinder ihre Banner und Kluften in einem der Domtürme und trafen sich fortan nur noch heimlich. Der Krieg machte ein geregeltes Treffen ohnehin unmöglich, da die Freisinger Pfadfinder an den verschiedensten Fronten Europas eingesetzt waren. Ungefähr 1942 endeten auch die geheim und illegal abgehaltenen Treffen des Stammes. Hatte man den NS-Staat bei den Pfadfindern stets als feindlich erlebt – ein Überfall der GeStaPo im Wald bei Oberberghausen auf die Pfadfinder gibt davon beredtes Zeugnis – fehlte es nach dem Krieg dennoch nicht an pathetischen Worten, um der Pfadfinder zu gedenken, die nicht nach Freising zurückgekehrt waren. Es war die wohl einzige Möglichkeit, das Grauen überhaupt in Worte zu fassen, wenn in der Chronik die aufgelistet werden, die „getreu ihrem Fahneneide“ fielen.

Gleich nach dem Ende des Krieges und der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten begannen im Spätsommer 1945 die verbliebenen Pfadfinder, den Freisinger Stamm wieder ins Leben zu rufen. Unter Adolf Freudenberg wurde der Stamm wiederbegründet und der Kooperator von St. Georg Karl Geissinger übernahm das Kuratenamt, nachdem sein Vorgänger als Kurat des Stammes Carl Oscar Freiherr von Soden 1943 im amerikanischen Exil 45-jährig verstorben war. Somit hatte der Stamm auch von Anfang an wieder einen geistlichen Vorstand.
Am Ostermontag 1947 fand der erste öffentliche Auftritt der Freisinger Pfadfinder nach dem Krieg statt. In der Altöttinger Kapelle wurde ein neues Lilienbanner geweiht und sechs neue Mitglieder feierlich in den Stamm aufgenommen. Wenige Tage später, am 15. April, erteilte die amerikanische Militärregierung die Landeslizenz für die DPSG in Bayern.

Es entfaltete sich bald ein reges Gruppenleben mit allem, was zum Pfadfindersein dazugehört. In den ersten Jahren kreuzten sich diverse Unternehmungen noch mit den Auswirkungen der Besatzung, so dass im Sommer 1947, als ein Lager in Gstadt am Chiemsee stattfand, die Pfadfinder nicht nur „mit einem prima Ami-Motorboot“ sondern auch noch mit einem Jeep der US-Armee fahren durften.

Die schnell wachsende Schar der Pfadfinder unternahm die verschiedensten Dinge, von Lagern, sportlichen Wettkämpfen mit anderen Jugendgruppierungen aus Freising, Orientierungswanderungen bis zu großen gemeinsamen Kochaktionen. Auch Gottesdienste und Andachten, die in den ersten Jahrzehnten noch deutlich das Leben des Freisinger Stammes prägten, gehörten zum festen Bestandteil des gemeinsamen Programmes, so auch die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession in großer Zahl.

1949, also nur vier Jahre nach Kriegsende kamen die Freisinger Pfadfinder im Rahmen einer Pax-Christi-Wallfahrt nach Lourdes, wo sie zusammen mit französischen Pfadfindern einige Zeit verbrachten und gemeinsam zelteten. Ein bemerkenswertes Ereignis, wenn man bedenkt, dass sich beide Völker nur wenige Jahre zuvor in einem grausamen und erbarmungslos geführten Krieg gegenüberstanden, an dem auch der eine oder andere der älteren Pfadfinder noch teilgenommen hatte. Wenn man die Berichterstattung in der Chronik betrachtet, die die große Gastfreundschaft und das herzliche Miteinander der französischen Pfadfinderfreunde lobt, drängt sich der Eindruck durchaus auf, dass der Wille, das Vergangene zu vergessen und gemeinsam an einer friedlichen Zukunft zu arbeiten groß war. Vor allem von französischer Seite ein beachtenswertes Zeichen.

Da die Pfadfinder eine internationale Organisation sind, gibt es auch internationale Pfadfinderlager, das sogenannte Jamboree. 1957 nahmen zum ersten Mal Freisinger an einer derartigen Veranstaltung teil. Zum 50-jährigen Jubiläum der Pfadfinderbewegung trafen sich 30.000 Pfadfinder aus 82 Ländern in Sutton Coldfield bei Birmingham und erlebten dort Tage voller internationaler Freundschaft und gemeinsamer Aktionen, wobei einer von vielen Höhepunkten der Besuch der englischen Königin Elisabeth II. war, die auch das dortige deutsche Lager besuchte. Bis heute stellen diese internationalen Zusammenkünfte immer wieder die Höhepunkte eines Pfadfinderlebens dar, an die sich die Teilnehmer lange erinnern.

Gab es über Jahrzehnte nur männliche Pfadfinder, so gründete sich 1962 in Freising zum ersten Mal eine Gruppe mit weiblichen Pfadfindern, was insofern bemerkenswert ist, als dass die DPSG dies erst 1971 bundesweit in ihrer Satzung vorsah. Die sechziger Jahre, ohnehin ja eine Zeit des Umbruchs und Hinterfragens tradierter Handlungs- und Erscheinungsmus-ter, brachten auch für die DPSG frischen Wind. Nicht nur wurde das alte durch das bis heute gültige Lilienbanner ersetzt, sondern es wurden auch an den militärischen Sprachduktus früherer Zeiten erinnernde Bezeichnungen geändert. So wurde aus dem Feldmeister ein Vorsitzender und – was wohl noch angenehmer für die Ohren gewesen sein dürfte – aus dem Führer endlich ein Leiter. Es dürfte dem öffentlichen Ansehen der DPSG nur gut getan haben, diese Änderung überkommener Rangbezeichnungen vorzunehmen. Der gesellschaftliche Wandel, der sich vor allem in der zweiten Hälfte der 60er Jahre vollzog, dürfte mit dazu beigetragen haben, dass der Freisinger Stamm damals ernsthafte Nachwuchssorgen hatte und sich in nahezu allen Gruppen des Stammes Auflösungserscheinungen bemerkbar machten. Eine katholische Jugendorganisation hatte es in Zeiten, die gerade bei jungen Leuten stark unter antihierarchischen Vorzeichen standen, zunehmend schwer, Nachwuchs zu finden. Es scheinen schwierige Jahre für den Stamm gewesen zu sein, die zeitgenössischen Aufzeichnungen schweigen über nahezu zehn Jahre; man hatte wohl andere Sorgen.  Es findet sich nur der Satz in einer zusammenfassenden Übersicht, dass der Stamm „zwischen dem Auflösen und Weitermachen“ geschwankt habe. 1973 wird dann aktiv nach Gemeindemitgliedern der Pfarrei St. Georg gesucht, die bereit wären, eine Gruppe zu leiten, da es an Leitern für den wieder zahlreicher gewordenen Nachwuchs deutlich mangelte. In diesem Jahr hatte man den bisherigen Mitgliedsrekord feiern können, der jedoch schon vier Jahre später wieder auf 90 gesunken war. An jungen Menschen, die bereit waren für sich und andere Verantwortung zu übernehmen, mangelte es dem Stamm zu dieser Zeit nach wie vor. Zur selben Zeit bildeten die Pfadfinder dennoch die größte und aktivste Gruppe der Freisinger Stadtjugend.

Sechzehn Jahre nachdem sich in Freising erstmals Mädchen bei den Pfadfindern engagieren konnten, wurde 1978 die erste Stammesvorsitzende gewählt.
Das Stammesleben, stets stark geprägt von den jedes Jahr abgehaltenen Lagern, wurde ab den 80er Jahren zunehmend internationaler und man traf sich auch mit polnischen Pfadfindern, was vor dem Fall des Eisernen Vorhangs sicher auch ein bemerkenswertes Ereignis darstellt. Auch Reisen ins Ausland bereicherten zunehmend das Leben des Stammes, der sich zuhause stark in der Pfarrei St. Georg wie auch in der katholischen Stadtjugend engagierte.

Das Stammesleben wird bis heute durch vielerlei Veranstaltungen, wie Postenläufe, Gruppenwochenenden sowie Pfingst- und Sommerlager geprägt. Darunter sind auch Aktionen, die es schon seit Anbeginn gibt und sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Dazu gehören der Stammestag am 1. Mai mit dem Aufstellen des Maibaums und einem Postenlauf, ebenso wie die rege Beteiligung an kirchlichen Festen in Freising, wie dem Patrozinium unseres Patrons, dem Heiligen Georg, Fronleichnam, Jugendkorbinian und die Aussendung des Friedenslichts aus Betlehem am 3. Advent. Einen stimmungsvollen Abschluss des Jahres bildet für alle Pfadfinder und deren Familien seit über 60 Jahren die gemeinsame Wanderung mit anschließender Christmette in Oberberghausen am 24. Dezember.
Derzeit gehören zum Stamm Freising etwa 120 Kinder und Jugendliche, die in zehn Gruppen mit Gleichaltrigen organisiert sind. Dabei werden sie von 25 ehrenamtlichen Leitern, die wöchentliche Gruppenstunden gestalten, begleitet. Wie vor 80 Jahren leben die Freisinger Pfadfinder auch heute getreu ihrem Motto: Allzeit bereit!

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juni 2013.
In unserer Bibliothek können Sie diese und alle anderen Ausgaben der letzten Jahre online lesen.

zur Bibliothek...
weitere Artikel zu diesem Thema: