“A Hund bist scho, Franze!”
Endlich: Eine Biographie über Karl Obermayr

Es gibt Sätze, die brennen sich in das Kollektiv-Gedächtnis einer ganzen Fernseh- Generation, wie auch eben jener aus der Helmut Dietl-Serie „Monaco Franze – Der ewige Stenz“: A Hund bist scho, Franze! Überhaupt sind oftmals erst die Dialoge zwischen dem Monaco Franze, gespielt von Helmut Fischer, und Manni Kopfeck, dargestellt von Karl Obermayr, die der Serie diesen Kult-Charakter beschert haben. Aber wer kann sich nicht auch an den Wirts-Monolog von Erwin Hillermeier aus den „Münchner Geschichten“ erinnern? „In da Früah sperr ma auf und na sperr ma wieda zua. Prost Erwin!“, eine höchst philosophische Grundbetrachtung des Lebens, punktgenau nuanciert in der klassischen Obermayr-Darstellung. Das hätte kein anderer so glaubhaft spielen können wie der Freisinger Schauspieler – nie affektiert, immer nahe an der Rolle mit der großen Liebe zum Detail. Das Anarchistische in der Darstellung lag ihm und auch das Unbequeme, weit weg vom Klischee- Bayern im Trachtenanzug. Nicht umsonst bevorzugte der literaturaffine Obermayr fernab der Fernseh-Unterhaltung auch Rollenangebote des kritischen Volkstheaters mit Stücken von Franz Xaver Kroetz oder Marieluise Fleißer. Viel gelesen und sogar für Rollen gelernt hat Obermayr wohl auch während seiner Ausbildung als Buchdrucker beim „Freisinger Tagblatt“, sehr zum Ärgernis seines Meisters, der gesagt haben soll: „Wenn der endlich furt is, los i di Blasmusi aufspuin!“ Die ersten Bühnen- Erfahrungen sammelte der 1931 geborene Obermayr allerdings schon früher: Seinen vermutlich ersten öffentlichen Auftritt hatte er wenige Wochen nach Kriegsende als 14jähriger bei einer Freisinger Priesterweihe. Danach wurde er Mitglied bei der „Eichendorff-Spielschar“, einem Zusammenschluss von spielfreudigen Freisinger Jugendlichen, bis dann um 1950 durch die Studiobühne Freising und einer Laienspielgruppe sein Drang, Schauspieler zu werden noch mehr Konturen annahm. Doch Obermayr war inzwischen gelernter Buchdrucker und noch kein professioneller Darsteller – jedenfalls bis dem Freisinger, im Nachgang glücklicherweise, von einer Münchner Druckerei wegen „impertinenten Verhaltens“ gekündigt wurde. Frei von den gesellschaftlichen Zwängen ging Obermayr aufs Ganze und legte 1957 die staatliche Schauspieler-Prüfung ab – um, wie es sich in der Rückschau herausstellen sollte, einer der wichtigsten bayerischen Schauspieler zu werden.

Der Berliner Autor Roland Ernst legt mit seiner Obermayr-Biographie eine faszinierende und gleichermaßen empathische Hommage eines Schauspielers vor, den es zwar auf die Bühne zog, aber nicht um jeden Preis. Seine Rollen-Auswahl zeigt dabei eindrucksvoll die Liebe vor allem für die „kleinen Leute“, die Obermayr ambitioniert portraitierte – aber auch der Hang für das Abseitige, das Untypische und das Schmerzhafte in Filmen wird durch die Biographie herausgeschält. Roland Ernst grub tief in Archiven und Erinnerungen, um das Spektrum jenseits von Manni Kopfeck auszuleuchten: Zwei Filme, der eine bekannt, der andere weitgehend vergessen, drängen sich diesbezüglich auf. Zum einen natürlich „Der Ruepp“ nach einer Geschichte von Ludwig Thoma – ein tiefdunkles Drama um einen Bauern, der seine Zeit lieber im Wirtshaus verbringt als auf dem Feld. Nicht umsonst benannte Obermayr den Ruepp oftmals als wichtigste Rolle seines Schaffens: Weit weg vom Komödienstadl-Kitsch, hin zur oftmaligen Ausweglosigkeit jener Zeit. Filmisch noch viel aufregender zeigt sich jedoch „Die .berführung“ von Georg Lohmeier aus dem Jahr 1979: Ein Stück über zwei Kriegs-Versehrte, die zwischen Krankheit, Alkohol und Aberglauben das letzte Glück suchen wollen und damit scheitern. Ein Winterdrama voller Todessehnsüchte und Halluzinationen, das es bis heute unverständlicherweise nicht auf DVD gibt.

Die Biographie zeigt aber eines deutlich auf: Obermayr war nicht nur vielseitig und in seinen filmischen Charakterstudien einzigartig, sondern auch als Mensch eine Ausnahme in der Branche. Unaufdringlich, zugewandt und als ruhender Pol am Filmset, der mit Aktentasche zum Dreh kam und sich auch gern mal mit den „ganz normalen“ Leuten unterhalten hat. Dabei war Obermayr längst als Größe anerkannt worden: Ob nun als Hörfunksprecher bei der Familien- Saga „Die Grandauers und ihre Zeit“, als Wirt bei „Pumuckl“ oder als Deutelmoser bei „Kehraus“ – Obermayr konnte alles glaubhaft spielen und sprechen, aber immer weit entfernt von jenem Dahoam-is-Dahoam-Bayer, der heute als chic gilt. Gleichzeitig offenbart das Buch über das Freisinger Ausnahme- Talent: Obermayr war auch auf den Theaterbühnen mit ernsten Stücken sehr erfolgreich, und eben nicht nur im Fernsehen präsent. In der Retrospektive überrascht dennoch, dass Obermayr oftmals bei den Aufzählungen der bayerischen „Volksschauspieler“ vergessen wird – ja selbst in seiner Heimatstadt Freising weist bis jetzt nichts auf den 1985 verstorbenen Obermayr hin: Keine Straße, kein Platz, keine Skulptur – keinerlei kommunale Verneigung. Erst durch das große Engagement eines Berliner Autoren wird ersichtlich: Die Domstadt muss dringend nachjustieren bei ihrer Erinnerungs- Kultur. Einzig und allein bleibt sein Grab auf dem Freisinger Waldfriedhof, zu dem bei seiner Beerdigung tausende von Menschen gekommen waren, darunter auch die Biermösl Blosn, Gustl Bayrhammer und Gerhard Polt. Es wäre längst an der Zeit, ihm ein Denkmal zu schenken, ähnlich wie Helmut Fischer an der Münchner Freiheit. Denn eines ist gewiss: A Hund war er scho, der Karl!

Karl Obermayr – eine Biographie von Roland Ernst. Allitera Verlag, Preis: 24.90 Euro.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2020.
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