Die facettenreiche Verwandlungskünstlerin
Ein Gespräch mit Tanja Maria Froidl

Sie ist in den 70ern in Freising geboren, in München aufgewachsen, hat dort ihr Abitur mit Musik als Leistungskurs gemacht, dann am Richard-Strauss-Konservatorium Gesang studiert, um schließlich durch den deutschsprachigen Raum zu touren. Mittlerweile lebt Tanja Maria Froidl seit acht Jahren in ihrer Geburtsstadt, fühlt sich hier pudelwohl und sprudelt nur so vor Energie und neuen Ideen. Unsere Mitarbeiterin Elisabeth Hoffmann hat sich mit der erfrischenden Künstlerin unterhalten.

Frau Froidl, Sie sind als äußerst facetten- reiche und verwandlungsfähige Sängerin und Darstellerin unterwegs. Wurde Ihnen das Talent schon in die Wiege gelegt?

Nein, keineswegs. Meine Eltern waren vollkommen unmusikalisch. Als Kind war ich zwar durchweg überdurchschnittlich begabt, nur für das Musische hatte ich kein Gespür. Erst während der Schulzeit kehrte sich dies um 180 Grad. Zunächst habe ich Gitarre gelernt, dann in diversen Chören gesungen, später auch in verschiedenen Bands. So sammelte ich bereits während der Schulzeit Bühnen-, Fernseh- und Studioerfahrungen. Die Entscheidung, Gesang zu studieren, fiel erst nach dem Abitur. Glücklicherweise habe ich die Aufnahmeprüfung am Richard- Strauss-Konservatorium auf Anhieb bestanden und das Studium zum einen als staatlich geprüfte Opern- und Konzertsängerin als hoher Mezzosopran und zum anderen als Diplom-Gesangslehrerin abgeschlossen. Darüber hinaus bilde ich mich noch heute mit ganz unterschiedlichen Kursen bei namhaften Künstlern in den Fächern Oper, Lied, Alte Musik, Auditiontraining, Schauspiel und Jazztanz weiter.

Ihr Repertoire reicht von der E-Musik auf der Opernbühne und in klassischen Konzerten über nachdenkliche Chansons bis hin zur U-Musik in Form von Jazz, Musical und sogar Kabarett. Warum dieser Spagat und welches Genre liegt Ihnen besonders am Herzen? Zudem sind Sie als Darstellerin und als Lehrerin beim „3klang“ aktiv. Was ist Ihnen selbst dabei wichtig?

„Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen“, sagt ein altes Sprichwort. Ich will mich nicht einordnen lassen, will mir meine Freiheit bewahren, für alles offen bleiben und mich immer wieder selbst neu ausprobieren. Natürlich möchte ich bei alledem immer besser werden. Eine Herzensangelegenheit ist es mir, ernster zu werden und alte Lieder neu zu beleben. Zudem bin ich gerne als Grenzgänger unterwegs. Egal, welche Rolle ich gerade auf der Bühne verkörpere, ich liebe es, auf den Brettern zu stehen, quasi wie eine Rampen-Sau.

… und hinsichtlich Ihres Publikums?

Ich finde es schön, etwas zu geben, zum Nachdenken anzuregen, zu berühren und etwas bewegen zu können. So möchte ich Menschen erreichen, die sich entführen lassen oder verzaubern, die sich an einen unbekannten Ort führen lassen und die Neues entdecken wollen.

Und was ist Ihnen als Lehrerin wichtig?

Da macht es mir besonders Spaß, die Stärken meiner Schüler herauszufinden und diese zu motivieren, um so deren Persönlichkeit zu fördern.

Sie haben Gesang studiert, doch Ihre Auftritte als Sängerin sind weit mehr als nur glockenklare Gesangsdarbietungen über drei Oktaven. Sie zeichnen sich durch eine markante, oft ausladende Gestik und eine sauber einstudierte Mimik aus, die oft mit ausgesprochen spitzbübischem Charme gewürzt ist – wie kamen Sie zur Schauspielerei?

Durch das Leben. Ich finde es faszinierend, in Rollen zu schlüpfen und diese dann zu transportieren. Ich will dabei in die Stücke, in die Personen und in deren Gefühle eintauchen, um diese zu reflektieren. Andersherum gesagt finde ich nichts schlimmer, als wenn Sänger auf der Bühne nur Töne abgeben.

Sie treten sowohl solo, in kleiner Besetzung als auch in größeren Ensembles auf. Was ist Ihnen lieber?

Jede Form hat ihren eigenen Reiz. Leidenschaftlich gerne aber trete ich allein auf, beziehungsweise mit Begleitung. Aber wenn eine Rolle gut ist, trete ich auch gerne mit einem großen Ensemble auf. So schlüpfe ich zum Beispiel trotz 90 Vorstellungen noch immer mit Begeisterung in die Rolle der Diva Zarah Leander in der Gunther-Emmerlich-Revue „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“, mit der wir auch schon im „Deutschen Theater“ gastierten. Zuletzt waren wir damit im Großraum Nürnberg und Frankfurt. Zwischendurch verwandle ich mich auch mal gerne in Form einer Hosenrolle, sei es in einen rotzfrechen Lausbub namens Hänsel in „Hänsel und Gretel“ oder in einen schelmischen Pinocchio.

Und welche sind Ihre nächsten Pläne?

Seit September bin ich mit dem BR-Sprecher und Schauspieler Hans Jürgen Stockerl in der Schweiz unterwegs. Wir lesen eine Auswahl von Heine und Tucholsky, dabei begleite ich uns am Klavier. Dieses Programm möchte ich noch weiter ausbauen.

Zuletzt eröffneten Sie im Oktober in Freising die neue Veranstaltungsreihe „Musik der Welt – Israel“ des „3klang“. Unter dem Titel „Sag beim Abschied leise Servus“ präsentierten Sie gemeinsam mit Walter Erpf eine Auswahl von Liedern der sogenannten „leichten Muse“ der 20er und 30er Jahre, die Sie in einer sehr engagierten Weise mit der Rezitation von Originalschriften an- reicherten, was am Ende zu einer umfas- senden Hommage an die meist unbekannten Schicksale der großteils jüdischen Interpreten, Texter und Komponisten führte. Das lag nicht zuletzt daran, dass Sie sich das Liedgut so einverleibt haben, dass es quasi zu Ihrem eigenen mutierte. Zudem gaben Sie sich dabei als Sprachtalent zu erkennen, das mühelos von einer Zeile zur nächsten den Dialekt und die Stimmlage wechseln kann und zwischendurch auch noch artistisch zu Pfeifen vermag. Wann und in welcher Rolle treten Sie wieder in Freising auf?

Am 15. Dezember 2012 gibt es im Schafhof eine neue Fassung des „Nussknacker“ zu sehen, in der ich die „Marie“ verkörpere. In dieser Fassung mutiert die Marie zu Tschaikowskis Tochter, was eng damit verbunden ist, dass diese Interpretation mit Musik von Tschaikowski unterlegt ist. Ferner zeigen wir das Stück nicht als Ballett, sondern machen daraus eine Erzählung, die mit Zusätzen von Christian Auer angereichert ist. Als Sprecherin fungiert dabei keine geringere als Diana Körner.

Foto: Als Audrey Walthom im „Kriminaltango“ am Städtetheater Passau-Landshut / Foto: Peter Litvai

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Dezember 2012.
In unserer Bibliothek können Sie diese und alle anderen Ausgaben der letzten Jahre online lesen.

zur Bibliothek...
weitere Artikel zu diesem Thema: