Die ganze Welt des Fairen Handels
Ein Gespräch mit Gudrun Kirchhof und Kornelia Schredl vom Freisinger Weltladen

Der Stadt Freising wurde im vergangenen Jahr der Titel „Fairtrade-Stadt“ verliehen. Um etwas Klarheit in die oft verwirrende Welt der Fairhandels-Institutionen, Importunternehmen und Siegel-Organisationen zu bringen, hat sich der FINK mit Gudrun Kirchhof und Kornelia Schredl vom Verein „Partnerschaft Eine Welt Freising e.V.“ über den Fairen Handel und den Freisinger Welt- laden unterhalten.

„Fair“ ist neben „öko“, „bio“ und „nachhaltig“ eine Vokabel, mit der Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs sowie Kunsthandwerk beworben werden. Man muss dann schon fragen: Was ist eigentlich fairer Handel?
Der Faire Handel ist ein partnerschaftlicher Handel. Er pflegt Geschäftsbeziehungen mit den Produzenten, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruhen, und er bemüht sich um mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel.

Wodurch unterscheidet er sich dann vom konventionellen Welthandel?
Er bezieht Erzeugnisse aus (fernen) Ländern, die nicht in die Vorteile und die Wettbewerbsregulierung der westlichen Marktwirtschaft einbezogen sind. Diese Produzenten genießen keinerlei Schutz oder Kontrolle der Produktionsbedingungen. Hier greifen die Ansprüche des Fairen Handels ein, dessen Ziel es ist, den Menschen in den Erzeugerländern, vornehmlich den benachteiligten Ländern des Südens, einen nach unserer Lebensweise bemessenen Fairen Preis zu bezahlen und politisch unabhängige Erzeugerstrukturen zu unterstützen (zum Beispiel kleinbäuerliche Familienbetriebe, die oftmals in Kooperativen organisiert sind). Zentral ist auch, dass der Preis nicht einfach durch den Markt gebildet wird, sondern dass ihm eine kostendeckende und nachhaltige Kalkulation zugunsten der Produzenten zugrunde liegt. Welche Lebensmittel die Bezeichnung „bio“ tragen dürfen, ist durch eine EU-Verordnung geschützt. In Deutschland existieren darüber hinaus Anbauverbände, welche die Grundsätze der biologischen Produktion ausdehnen und zum Beispiel ganzheitliche Sichtweisen und deren Umsetzung zum Schutz von Natur und Klima anstreben und dies mit einem Siegel kennzeichnen.

Gibt es dann auch eine ähnlich geschützte Regelung dafür, wann ein Produkt die Bezeichnung „fair“ tragen darf?
Nein, es gibt keine EU-Verordnung darüber. Das wäre auch schwierig: Denn im Gegensatz zu der Bezeichnung „bio“ ist es viel schwerer zu definieren, wann ein Produkt „fair“ ist und wann nicht. Während „bio“ sich unmittelbar auf einen festgelegten Maß- nahmenplan im Produktionsprozess bezieht, bezeichnet „fair“ eine ethische Produktqualität. Und die ist natürlich viel schwerer zu bestimmen, weil es hier keine eindeutigen, gemeinverbindlichen Kriterien gibt. Allerdings gibt es einen Unterschied bei der Schreibweise: Wenn das „fair“ bei „fairer Handel“ klein geschrieben ist, ist das Wort tatsächlich beliebig und kann allgemein einen gerechteren Warenaustausch bezeichnen. Ein groß geschriebenes „Fair“ bei „Fairer Handel“ dagegen bezeichnet den sogenannten „Alternativen Fairen Handel“. Das ist der Handel, wie ihn zum Beispiel die Weltläden umsetzen. Aber auch diese Großschreibung ist rechtlich nicht geschützt. Sie bezieht sich auf langjährig erarbeitete Kriterien.

Wenn es keine Verordnungen gibt, und auch keine am Produkt selbst feststellbaren Eigenschaften, dann stellt sich ja auch insbesondere die Frage der Glaubwürdigkeit. Wer bestimmt, was in diesem Sinne „Fair“ ist? Oder anders gefragt: Wie wählt dann der Weltladen seine Produkte aus?
Viele Weltläden sind Mitglied im Weltladen-Dachverband. Und der Dachverband hat in Abstimmung mit den Beteiligten des Fairen Handels die „Konvention der Weltläden“ formuliert. Sie enthält formulierte Ansprüche, etwa zu den Arbeitsbedingungen der Produzenten, zur Transparenz des Handels, aber auch zur Bildungs- und Informationsarbeit oder politischen Aktionen. Dieser Anspruchskatalog gilt für alle, die am Fairen Handel beteiligt sind gleichermaßen, also die Produzenten, die Importorganisationen und die Weltläden selbst.

Diese Konvention beinhaltet somit die Kriterien für den Fairen Handel?
Genau. Eine Anwendung davon ist zum Beispiel die Zusammenstellung derjenigen Lieferanten, die sich darum bemühen, die Kriterien zu erfüllen. Der Weltladen-Dach- verband gibt seit 1999 diesen „Katalog anerkannter Weltladen-Lieferanten“, oder kurz „Lieferantenkatalog“, heraus. Er wird den Weltläden zur Verfügung gestellt, er wird jedoch nicht allgemein veröffentlicht.

Warum nicht?
Die Einstufung der Lieferanten beruht in erster Linie auf einer vertrauenswürdigen Selbstauskunft. Gerade zu Beginn des Prozesses einer Aufnahme in den Lieferantenkatalog gibt der Weltladen-Dachverband den Importorganisationen Rückmeldung, in welchen Bereichen auch ein Nachbesserungsbedarf besteht. Dies sind unter anderem interne und vertrauliche Angaben, etwa demokratische Strukturen oder die Buchführung betreffend, die nicht für die Öffentlichkeit geeignet sind. Vertrauenswürdige Transparenz benötigt auch eine geschützte Umgebung.

Und an diesem Lieferantenkatalog orientieren sich die Weltläden bei ihrem Einkauf?
Ja. Mit dem Führen des Logo des Weltladens, der den Status einer Marke hat, verpflichtet sich jedes einzelne Geschäft, sich an die Konvention zu halten.

Wie kontrolliert der Weltladen-Dachverband, ob die Kriterien der Konvention bei einem bestimmten Unternehmen gegeben sind?
Die Produzenten werden von den Importorganisationen nach den Kriterien des Fairen Handels ausgewählt. Die Importorganisationen selbst werden hauptsächlich durch Selbstauskunft in Form eines Fragebogens eingestuft. Manchmal findet aber auch eine Überprüfung vor Ort statt. Und es wird regelmäßig abgefragt, ob die Unternehmen weiterhin die Voraussetzungen erfüllen, um ihre Bewertung im Lieferantenkatalog zu halten oder auch zu verbessern.

Der Lieferantenkatalog ist den Verbrauchern nicht zugänglich. Aber es gibt ja auch noch Siegel, die garantieren sollen, dass ein Produkt Fair gehandelt ist, vor allem das „Fairtrade“-Siegel. Was hat es damit auf sich?
Das Fairtrade-Siegel wird in Deutschland von dem Verein Transfair vergeben, den es seit den 1990er Jahren gibt. Im Grunde ist es ein Marketing-Instrument, um den Umsatz von Produkten aus Fairem Handel zu erhöhen. Dabei werden Produkte gesiegelt, nicht Unternehmen. Das ist ein Unterschied zum Lieferantenkatalog, in dem Unternehmen aufgeführt werden. Dadurch ist es möglich, einzelne Produkte von Unternehmen, die ansonsten nicht im Fairen Handel tätig sind, mit dem Fairtrade-Siegel auszuzeichnen. Auch einzelne Produkte von Discountern wurden auf diese Weise mit dem Fairtrade-Siegel versehen. Ein Beispiel ist Lidl, der dafür eine firmeneigene Marke, „Fairglobe“, geschaffen hat.

Konnte die Siegelinitiative das Ziel einer Umsatzsteigerung für fair gehandelte Produkte erreichen?
Ja. Dadurch, dass Fairtrade-gesiegelte Produkte nicht nur in Weltläden, sondern auch in anderen Geschäften und Supermärkten zu kaufen sind, hat sich die Sichtbarkeit Fair gehandelter Waren erhöht. In den letzten Jahren ist daher der Umsatz Fair-gehandelter Waren deutlich angestiegen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen den Weltläden und anderen Geschäften, die Faire Produkte anbieten?
Die Weltläden bieten Waren vom Importorganisationen an, die sich zu 100 Prozent zum Fairen Handel bekennen. Die größten davon sind die Gepa, El Puente, die Genossenschaft dwp und Banafair. Das Ziel der Siegelorganisation Transfair ist es, innerhalb bestehender Strukturen des Fairen Handels neue Absatzwege zu finden. Weltläden hingegen arbeiten eng mit den Fair-Handelsorganisationen zusammen, um für die Produzenten alternative Handelsstrukturen aufzubauen und deren Produkte weiterzuentwickeln. Die Arbeit der Weltläden fußt hauptsächlich auf ehrenamtlichem Engagement. Ganz zentral sind hier Bildung bezüglich alternativer Entwicklungshilfeprojekte, die Information des Verbrauchers über die Waren, die er einkauft, und auch, welche politische Relevanz und Auswirkung sie auf die Konsolidierung demokratischer Strukturen dieser Projekte haben.

Sie haben gesagt, es arbeiten Ehrenamtliche in den Weltläden. Von wem werden denn die Weltläden getragen?
Der Freisinger Weltladen wird von einem gemeinnützigen Verein getragen, „Partnerschaft Eine Welt Freising e.V.“ Der Verein ist 1982 gegründet worden, er kann also dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiern. Der Freisinger Weltladen kann durch diese Struktur als not-for-profit Unternehmen geführt werden. Er bemüht sich, kostendeckend zu arbeiten und dabei seine internen Strukturen zu verbessern. Gewinnerzielung steht nicht notwendigerweise im Vordergrund. Es gibt aber auch Weltläden, die eine andere Trägerschaft haben. Gemeinsam ist allen Weltläden, dass sie, was das Logo und den Schriftzug betrifft, ein „corporate design“ haben, dass sie konzertiert in ihren Marketing-Aktivitäten unterstützt und professionell auf Bildungsaktivitäten und Kampagnen vorbereitet werden. Dies wird durch die Mitgliedschaft im Weltladen-Dachverband gewährleistet.

Kann man sagen, es gibt zwei „Ansätze“ des Fairen Handels – den Fairen Handel, wie ihn die Weltläden und die Fairhandelsorganisationen betreiben, und den Fairen Handel mit dem Fairtrade-Siegel?
Das würde wohl zu weit gehen. Zu den Gründern und Beratern der Siegelorganisation Transfair gehören ja auch Fairhandelsorganisationen wie der Weltladen-Dachverband oder die Gepa. Man sollte eher von einer Diversifizierung sprechen, die auf unterschiedliche Kundentypen ausgerichtet ist. In den Supermärkten und Discountern kann der Kunde nicht auf weitergehende Information zugreifen. Hier stellt die Güte und Glaubwürdigkeit des Fairtrade-Siegels die einzige Entscheidungshilfe zum Kauf dar. In den Weltläden hingegen kann der Kunde Informationen und Transparenz zum Beispiel über die Preisstruktur oder Projektaktivität bekommen, oder auch eigene Vorstellungen einbringen. Darüber hinaus können innerhalb der Strukturen, denen der Weltladen angehört, neue Projekte angestoßen und unterstützt werden.

Freising ist seit dem vergangenen Jahr „Fair-Trade-Stadt“. Was bedeutet das?
Der Titel wird von der Siegelorganisation Transfair vergeben. Es ist eine Marketingoffensive, die den Fairen Handel bekannter machen soll. Die Kriterien für eine Vergabe des Titels sind folgende. Erstens: Es liegt ein Beschluss der Kommune vor, dass bei allen Sitzungen der Ausschüsse und des Rates sowie im Bürgermeisterbüro Fair-Trade-Kaffee sowie ein weiteres Produkt aus Fairem Handel verwendet wird. Es wird die Entscheidung getroffen, als Stadt den Titel „Fairtrade-Stadt“ anzustreben. Zweitens wird eine lokale Steuerungsgruppe gebildet, die auf dem Weg zur „Fairtrade-Stadt“ die Aktivitäten vor Ort koordiniert. Zudem werden in den lokalen Einzelhandelsgeschäften gesiegelte Produkte aus Fairem Handel angeboten und in Cafés und Restaurants werden Fair-Trade-Produkte ausgeschenkt (jeweils mindestens zwei). In öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Vereinen und Kirchen werden Fair-Trade-Produkte verwendet und es werden dort Bildungsaktivitäten zum Thema „Fairer Handel“ durchgeführt. Außerdem berichten die örtlichen Medien über alle Aktivitäten auf dem Weg zur „Fairtrade-Stadt“, dass die Stadt selbst Fair-gehandelten Kaffee verwendet, dass ein Teil der Geschäfte, Restaurants und Supermärkte Fair-gehandelte Produkte führt und dass das Thema Fairer Handel eine Rolle etwa in Schulen spielt. Der Hintergrund der Idee, den Titel an Städte zu verleihen, ist nicht zuletzt der: Die Kommunen als größte öffentliche Auftraggeber können durch bewusste Kaufentscheidungen eine große Vorbildfunktion für sozial und ökologisch gerechte Angebote übernehmen. So gäbe es viele Möglichkeiten wie Dienstbekleidung, zum Beispiel Polizeiuniformen. Auch das Thema Baumaterialien ist ein großer Bereich. So hat Christian Ude bereits 2006 gesagt: Es kann nicht angehen, dass deutsche Kommunen aus wirtschaftlichen Gründen die Missachtung von internationalem Recht und die Gefährdung von Kinderleben billigend in Kauf nehmen.

Haben Sie Ideen oder Wünsche für die Fair-Trade-Stadt Freising?
Ich wünsche mir, dass die Fair-Trade-Town-Kampagne in Freising das Thema des Fairen Handels verstärkt in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger rückt. Konkretes Ziel ist außerdem, dass die Gastronomie in und um Freising sich dem Fairen Handel öffnet und anfängt, auch Faire Produkte zu verwenden. Super wäre es zum Beispiel, bald in Freisings Lokalitäten im Zwetschgendatschi oder im Kaiserschmarrn den Fairen Zucker zu schmecken! Darüber hinaus würden wir gerne die Faire Bewegung den Freisinger Schulen näherbringen – besonders erfreulich wäre es, wenn das Thema auch im Unterricht fester verankert würde, zum Beispiel in Geographie oder Ethik, und über einzelne Aktionen wie Weihnachtsbazare, Sommerfeste etc. hinaus Bedeutung bei Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern gewinnen würde.
(Interview: Florian Lehrmann)

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom September 2012.
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