Die grünen Oasen von Freising
Weihenstephaner Gärten

Auch wenn Mailand und Paris in Sachen Mode aktuell auf grau in grau setzen, ist in den Weihenstephaner Gärten wieder kräftiges Grün angesagt. Von hell leuchtend über wild gesprenkelt bis hin zu tiefdunklen Moostönen lässt sich die Natur in den fünf Versuchsgärten auch in der Saison 2014 wieder einiges einfallen, um den Besuchern aus nah und fern zu gefallen. Beetpflanzen und schmuckvolle Rabatten, Rosenneuheiten und Staudengehölze, Baumbestand und Steingartenanlagen, Teiche und Wasserbecken: Durch individuelle, unverwechselbare Farbakzente, Wuchs-form, Blüten- und Blattstrukturen entstehen stets kontrastreiche und harmonische Bilder, die den Naturraum rund um den Campus Weihenstephan zu einem einmaligen Erlebnis für die Sinne machen. Mehr als das imposante morgendliche Vogelgezwitscher im Laub- und Nadelholz wird es in den kommenden Wochen zu hören geben, wenn die Knospen der unzähligen Pfingstrosen aufplatzen und mit ihrem betörend süßen Duft zahlreiche summende Insekten zum Nektar locken.

Die Weihenstephaner Gärten sind über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt und mit 100.000 Besuchern pro Jahr ein sehr beliebtes Ausflugsziel sowohl für die Einwohner aus Stadt und Landkreis Freising wie auch für Gartenfachleute und Gartenliebhaber aus dem In- und Ausland. Unter den fünf Anlagen umfasst der Sichtungsgarten mit einer Fläche von fünf Hektar das größte und vielfältigstes Areal. Als Dozent frisch an die Staatliche Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau berufen gründete der Pflanzenkundler Richard Hansen 1947 das „Institut für Stauden, Gehölze und angewandte Pflanzensoziologe“, für das ein Lehr- und Versuchsgelände, der Sichtungsgarten, angelegt wurde. 2012 wurde die Forschungsanstalt in die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf integriert, seitdem sind die Weihenstephaner Gärten eine zentrale Einrichtung der Hochschule. Wie auch im Hofgarten, dem Buchsgarten, der Kleingartenanlage und dem Oberdieckgarten wird im Sichtungsgarten praktische Lehre, Forschung und Sichtung betrieben sowie die standortgerechte Verwendung von Stauden in ästhetisch ansprechenden Kombinationen vorgestellt. Hier trifft sich das „Quirlblättrige Mädchenauge“ mit der „Sonnenbraut“, dort der „Sonnenblumenblättrige Kronbart“ mit dem „Garten-Geißbart“. Riesig, schlitzblättrig oder leuchtend zeigt sich der Sonnenhut zwischen Wolfsmilch, Frauenmantel und Indianer-Kraut. Ein unendliches Sortiment an Taglilien und Pfingstrosen präsentiert sich entlang dem Sommerblumenweg im hellen Sonnenschein. Schattig und kühl wird es im Eichenwäldchen und auf den Wegen zwischen Wildgehölz, Ziersträuchern und Lindensortiment. Im angrenzenden Kleingarten kann ein bunter Mix aus aktuellen Sorten, neuen und seltenen Gemüse- und Obstarten wie auch mehr als 50 Gewürze und Heilpflanzen in Hochbeet, Hügelbeet und Gewächshaus begutachtet werden.

Auf dem Weihenstephaner Berg, umringt von den historischen Mauern des ehemaligen Benediktinerklosters, befindet sich der Hofgarten, dessen parkähnliche Struktur den Kernbereich des einstigen Klostergartens umspannt. Im Zentrum steht das renovierte Salettl, das Gartenkasino der Weihenstephaner Äbte. Sein heutiges Gesicht – geprägt von markanten Blut-Buchen, stattlichem Silber-Ahorn, Ginkgo und Lebkuchenbau – erhielt der Hofgarten nach mehreren Umgestaltungen um 1950. Mitte der 1920er Jahre wurde das Areal des heutigen Oberdieckgartens durch den Bau des Löwentorgebäudes vom Hofgarten getrennt. In Anlehnung an die ursprüngliche architektonische Gestaltung beherrschen Terrassen und rechtwinklige Gevierte diesen Lehrgarten, dessen Geländeabschnitte Rosen, Duft- und Arzneipflanzen, Freilandorchideen, Berglorbeer und Azaleen, Pfingstrosen, Zieräpfel und Hortensien beherbergen. Erst in den 1980er Jahren entstand der formale, an eine Barockanlage erinnernde Buchsgarten seitlich des Hofgartens. Das abgesenkte Gelände prägen streng geometrisch angeordnete Buchsbaumhecken, durchzogen mit den bunten Farben und Texturen neu gezüchteter, einjähriger Sommerblumen.

Kein Teil der Weihenstephaner Gärten, aber durchaus einen Besuch wert, ist die Außenanlage des Instituts für Landespflege und Botanik der TUM auf dem WZW. Der öffentlich zugängliche begrünte Raum, ein Geflecht aus Mauern, Hecken, Gärten und Plätzen, wurde seit 1985 über einen Zeitraum von zehn Jahren im Selbstbau von Studenten, Professoren und Mitarbeitern angelegt. Die Projektidee steht im Kontext der damaligen gesellschaftlichen Diskussion und befasst sich mit nachhaltigem Planen und Bauen, Ästhetik, Naturnähe und siedlungsökonomischer Freiraumplanung. Die lehrreiche und anregende Geschichte dieses teils verwitterten und sichtbar in die Jahre gekommenen Ortes erzählt wie auch die Weihenstephaner Gärten von Teamgeist und Experimentierfreude, von unkonventionellen Lehr- und Lernmethoden, den Grenzen des Wachstums, von Gartenkultur und Umweltengagement.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Mai 2014.
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