Die neue Altstadt Freisings
Die Sieger des Wettbewerbs zur Innenstadtkonzeption stehen fest.

Schon seit Langem ist die Verkehrsberuhigung in der Freisinger Innenstadt ein vieldiskutiertes Thema. Und auch eine Öffnung der Moosach im Bereich der Oberen Hauptstraße erscheint, spätestens seit Veröffentlichung der dahingehenden Machbarkeitsstudie im Oktober 2012, zunehmend wahrscheinlicher. Nun, so berichtet Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher, sei ein weiteres „großes Etappenziel erreicht“. Im November wurden die Sieger des im April von der Stadt Freising ausgelobten Wettbewerbs zur „Neugestaltung der Oberen und Unteren Hauptstraße mit Seitenstraßen, Stadteingängen und Moosachöffnung“ vorgestellt. Ein Wettbewerb, welcher gleich drei der insgesamt 23 Maßnahmen des 2009 vom Stadtrat einstimmig beschlossenen Integrierten Innenstadtentwicklungskonzeptes behandelt. Ein hochkarätig besetztes Preisgericht, bestehend aus 17 Preisrichtern sowie zahlreichen Sachverständigen und Beratern, kürte den Entwurf der Berliner Landschaftsarchitekturbüros „ST raum a“ zum Gewinner des Wettbewerbs und vergab daneben noch weitere Preise und Anerkennungen. Insgesamt wurden 26 Vorschläge von den 30 teilnehmenden Büros eingereicht, die vom Expertengremium allesamt ausführlich unter die Lupe genommen wurden.

„Die Hauptmerkmale“, so Prof. Christoph Valentien, Vorsitzender des Preisgerichts, seien dabei „einmal der Marienplatz, zum zweiten die Moosachöffnung“ und zuletzt die Gestaltung von „Bodenbelägen mit verkehrslenkender Funktion.“ Was den Marienplatz angehe, so folgten die bevorzugten Entwürfe allesamt der Idee, den Platz in den derzeitig bestehenden Straßenraum hineinzuziehen und so den Fahrbahnverlauf zu durchbrechen. Dies wirke einerseits geschwindigkeitsmindernd auf den Verkehr und vergrößere zudem den Platzraum. Daneben ergebe sich „eine Sequenz von Plätzen“, erklärt der Landschaftsarchitekt. „Mit dem Marienplatz als großem Stadtplatz, dem Asam-Innenhof sowie dem rückwärtigen Bereich des Asamkomplexes am Domberg“, schaffe man eine „ganz neue Qualität“ in diesem Teil der Innenstadt. Die Renovierung des Asamgebäudes einschließlich der Umgestaltung des südlich gelegenen Areals steht derzeit ebenfalls auf der Agenda des Stadtrats.

„Eine diffizile Aufgabenstellung“ stellte die im Wettbewerbstext ausdrücklich erwünschte Öffnung der Stadtmoosach dar, erklärt Valentien. Hier galt es zum einen, „den Bach als belebendes Element“ in den Straßenraum mit einzubeziehen, jedoch zeitgleich „neue Flächen vor den Ladengeschäften“ zu schaffen. Diese könnten beispielsweise für Veranstaltungen nutzbar gemacht werden. Daneben sei es erforderlich, die Aufenthaltsqualität entlang des Flusslaufes durch ergänzende Maßnahmen weiter zu steigern. Im Siegerentwurf setzt „ST raum a“ dabei, wie viele weitere Wettbewerbsteilnehmer, auf Stufenanlagen im Uferbereich sowie ausgebaute Sitzmöglichkeiten im bestehenden Straßenverlauf. Die Aufdeckung der Moosach erfolgt dabei nicht vollständig, sondern wird durch mehrere Überwege, die den Fußgängern zur Querung dienen, unterbrochen. Ob auf einer Seite des Flusslaufes ein Geländer angebracht wird und ob generell die Möglichkeit besteht, die Moosach temporär mit bedeckenden Elementen zu schließen, um Platz für größere Veranstaltungen zu schaffen, wird erst im weiteren Verlauf der Planungen geklärt werden können.

Den zentralen Punkt des Mammutprojekts, die Schaffung eines verkehrsberuhigten Bereichs, der eine größtmögliche Barrierefreiheit sowie auf niveaugleicher Höhe eine Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer garantieren soll, erfüllte das Planungsbüro entsprechend den Erwartungen der Jury. Zwar wurde in den dem Wettbewerb vorhergehenden Sitzungen des Planungsausschusses die Erfordernis eines durchgehend einheitlichen Bodenbelags, der dazu dienen sollte, keinen Interpretationsspielraum hinsichtlich vermeintlicher Fußgänger- und Fahrbahnbereiche zu gewähren, deutlich geäußert – wichtig sei es vor allem, alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen zu behandeln und, ohne eine Trennungswirkung zwischen Fahrbahn und Gehsteig zu erzielen, die Fußgänger zu ermutigen, den gesamten Straßenraum zu nutzen – doch, so befand das Preisgericht, erreiche die „zwar in differenzierten Verlegearten und Pflaster- bzw. Plattengrößen vorgeschlagene“ Bodengestaltung, wie sie im Siegerentwurf skizziert wird, die „wünschenswerte Homogenität“. Das Planungsbüro empfiehlt die Pflasterung größerer Granitsegmente an den Häuserzeilen entlang sowie großflächiger im Bereich der geöffneten Moosach und schlägt vor, den – eigentlich nicht existenten – Fahrbahnbereich mit kleineren Granitblöcken zu pflastern. Diese seien jedoch selbstverständlich abgeschliffen und nicht vergleichbar mit dem bisher bestehenden Fahrrad-, Rollator- und Rollstuhl-unfreundlichen Bodenbelag.

Bemerkenswert ist zudem das offensichtliche Tabu weiterer Begrünung im Bereich der Freisinger Innenstadt. Gemäß dem Wunsch des Preisgerichts und entsprechend dem in dieser Hinsicht zurückhaltend formulierten Auslobungstext zum Wettbewerb, der ausdrücklich auf die bedeutende historische Kulisse in der Oberen und Unteren Hauptstraße verwies und vor deren Verdeckung und Beeinträchtigung durch Bäume warnte, entschieden sich die Siegerbüros maximal für einen Erhalt der derzeitig vorhandenen Begrünung, reduzierten teilweise sogar die Baumreihe im Bereich der Oberen Hauptstraße weg. Der aus historischer Sicht nachvollziehbaren Einstellung entgegnete die Machbarkeitsstudie zur Neugestaltung der Innenstadt, die im September 2012 vom Pfaffenhofener Planungsbüro WipflerPLAN vorgestellt wurde. Zwar wird die historische Bedeutung „anerkannt und im Sinne der Authentizität des gut erhaltenen Stadtbildes […] berücksichtigt“, doch machten „die Bedürfnisse der heutigen Nutzer eine Begrünung notwendig“, so die Stadtplaner. Eine Altstadt sei heute „nicht nur Arbeits-, Lebens- und Wirtschaftsraum, sondern […] auch Erlebnisbereich, Fest- und Marktplatz und nicht zuletzt Touristenattraktion in Einem.“ Selbstverständlich stelle eine durchgängige Begrünung der Oberen und Unteren Hauptstraße eine klare Beeinträchtigung der Sichtbezüge in der Innenstadt dar, doch könnte durch die Platzierung vereinzelter Bäume „in den platzartigen Erweiterungen und größeren Nischen der Gebäudeabwicklung“ ein deutlicher Mehrwert an Aufenthaltsqualität bewirkt werden. In dieselbe Kerbe schlagen auch die Ergebnisse aus den Bürgerbeteiligungen zur Innenstadtkonzeption wie zum Stadtentwicklungsplan. Der Wunsch der Freisingerinnen und Freisinger nach einem Ausbau des Begrünungsangebots auch respektive insbesondere im Bereich der Innenstadt ist vorhanden. Auch die Resonanz auf die im Jahr 2012 vom Freisinger Innenstadtmanagement in Kooperation mit der CIMA durchgeführte Initiative „StadtRaumBaum“, in deren Rahmen über mehrere Monate hinweg acht Wanderbäume an wechselnden Plätzen in der Innenstadt platziert wurden, stieß unter den Bürgern auf positive Resonanz. Ob die Freisinger Stadträtinnen und Stadträte im weiteren Verlauf der Planungen diesen Wünschen gerecht werden oder sich, der Empfehlung des Preisgerichts entsprechend, für die „altstadtverträglichere“ Variante der Innenstadtgestaltung aussprechen, bleibt abzuwarten. Ebenfalls ein wichtiger Part im Auslobungstext für den Wettbewerb war die Forderung eines ganzheitlichen Beleuchtungskonzepts für die Straßen, Plätze und Gassen innerhalb des Wettbewerbsgebiets. Hier integrierten die meisten Planungsbüros die bestehende Überspannbeleuchtung in ihr jeweiliges Konzept. Der klare Vorteil: Man müsse im Straßenraum keine Mastleuchten aufstellen, die „die Benutzung der Flächen einschränkt“, so Valentien. Im Bodenbereich werde dadurch „sehr viel Freiheit gewonnen“. Das haben so auch die meisten Wettbewerbsteilnehmer gesehen und realisiert.

Im zweiten Preissegment des Wettbewerbs, die Neugestaltung der Stadteingänge betreffend, konnten, so der Vorsitzende des Preisgerichts, „keine überzeugenden Ergebnisse erzielt werden“. Die Zielsetzung, unnötigen Verkehr durch beengende Elemente „abzuschrecken“ sowie auch einen adäquaten Übergang von der Vorstadt zur Altstadt zu bilden, erfüllte keines der teilnehmenden Architekturbüros zur vollen Zufriedenheit des Preisgerichts. Aus diesem Grunde kürte das Gremium in dieser Preisgruppe keinen Sieger, sondern vergab lediglich fünf gleichrangige Anerkennungspreise. Zwar stießen einige der teils originellen Ideen auf Zuspruch unter den Experten, eine gänzliche Erfüllung der Anforderungen sei jedoch durch keinen Entwurf gewährleistet.

Insgesamt jedoch zeigte sich Prof. Christoph Valentien zufrieden mit dem Wettbewerbsergebnis. Die Entwürfe zur Innenstadt seien alle auf einem „sehr hohen Niveau“. Die prämierten Planungsbüros „lieferten sehr zurückhaltende Konzepte“, welche „den Stadtboden sehr einfach gestaltet haben“. Auch wahrten die dezenten „Installationen, die im Straßenraum notwendig sind“, den „Gesamteindruck“ der Gebäude und Fassaden im Stadtkern. Durch die durchgängigen Beläge, die nur mit „dezenten Markierungen“ ausgestattet würden, könne der Straßenraum „viel größer“ erscheinen, als er heute wahrzunehmen sei.

„Im nächsten Schritt wird sich der Stadtrat und die Stadtverwaltung ausgiebig mit dem Siegerentwurf auseinandersetzen“, erklärt Tobias Eschenbacher. Die Planung müsse die richtige „Detailschärfe“ erreichen und anschließend im Rahmen eines Projektbeschlusses auf den Weg gebracht werden. „Selbstverständlich wird die Umsetzung einige Jahre in Anspruch nehmen“, doch mit dem Abschluss des Wettbewerbs bestehe nun eine „klare Zielvorgabe“, so der Oberbürgermeister. Und auch Valentien blickt mit großen Erwartungen in die Zukunft: Die Folge von Investitionen im öffentlichen Raum, die „im Vergleich zu anderen Sanierungskosten“ ohnehin von einer „relativ geringen“ Höhe seien, „sind Investitionen in den privaten Bereichen“. Auf diese Weise, so der Landschaftsarchitekt, „kann man Altstädte, die in die Jahre gekommen sind, wieder beleben und auf Vordermann bringen.“  
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