Ein „Märchenkönig“ für Freising
Über ein geplantes Denkmal für König Ludwig II. (1906/07)

König Ludwig II. (1845-1886, reg. seit 1864) gilt heute unbestritten als der populärste Herrscher Bayerns. Seine komplexe Persönlichkeit, die große Zahl an außergewöhnlichen Bauunternehmungen und nicht zuletzt auch sein unter bis heute ungeklärten Umständen erfolgter Tod im Starnberger See üben auf eine breite nationale wie internationale Öffentlichkeit eine enorme Faszination aus. Tatsächlich setzte diese besonders intensive Popularität um die Person Ludwigs II. erst nach seinem Tod 1886 ein, zu seinen Lebzeiten wurde ihm insgesamt nicht mehr (und nicht weniger) Aufmerksamkeit zuteil als seinen Vorgängern.

Als beliebte Form des Erinnerns etablierte sich in den ersten Jahrzehnten nach dem Tod des Königs – neben Fotoreproduktionen und Postkarten – die Errichtung von Denkmälern. Andere Gedenkformen wie die Gründung königstreuer Vereinigungen, die in der Regel auf die Person Ludwigs II. ausgerichtet sind, oder ganz spezieller König-Ludwig-II.-Vereine sind bis auf wenige Ausnahmen eine Erscheinung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vor allem der 1970er und 1980er Jahre. Einer 2011 vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege herausgegebenen Zusammenstellung von Ludwig-II.-Denkmälern ist zu entnehmen, dass nach einem zögerlichen Beginn in den ersten Jahren nach dem Tod des Königs sodann ab Mitte der 1890er Jahre ein regelrechter „Denkmäler-Boom“ einsetzte. Schwerpunktmäßig kam es im südlichen Teil Bayerns zur Aufstellung von Ludwig-II.-Denkmälern, dort wiederum besonders intensiv in und um München. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs (1914-1918) und dem Ende der Monarchie in Bayern (1918) hatte die Aufstellung derlei Denkmäler schlagartig ein Ende. Erst in den 1960er Jahren begann man erstmals wieder mit der Errichtung neuer Ludwig-II.-Denkmäler.

Jener ersten Phase der Aufstellung von Ludwig-II.-Denkmälern zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist ein entsprechendes Projekt in Freising zuzuordnen. Im Stadtarchiv Freising hat sich eine Akte mit einer sehr überschaubaren Korrespondenz, einem Kostenvoranschlag, einer Planskizze und dreier Fotografien, die das Gipsmodell des projektierten Denkmals zeigen, erhalten.
Die Initiative zur Errichtung eines Freisinger Ludwig-II.-Denkmals ging demnach vom „Verein zur Erbauung eines Monumentes für Weiland König Ludwig II. in Freising“ aus. Dieser war bereits am 17. September 1904 gegründet worden und hatte bis 1906 einen Mitgliederstand von 192 Personen erreicht. Einziger Satzungszweck war „… unter Ausschluß aller politischen und religiösen Bestrebungen…“, wie es in der Vereinssatzung heißt, die Aufstellung des geplanten Denkmals. Derartige Vereine waren im Fall der Ludwig-II.-Denkmäler als Initiatoren und Projektträger nicht ungewöhnlich, eher die Norm.

Nachdem der zunächst in Aussicht genommene Aufstellungsstandort an der Kasernenstraße (seit 1911 „Dr.-von-Daller-Straße“) als ungeeignet befunden wurde, richtete der Vereinsvorstand im Oktober 1906 eine Bitte an den Stadtmagistrat, hierzu einen passenden Vorschlag zu präsentieren. Im folgenden Monat machte man den Verein seitens der Stadt auf jenen Platz aufmerksam, „…welcher an Stelle des ehemaligen Weihers bei den früheren Ziegelstädeln des Baumeisters Steinecker hergestellt werden soll und bezüglich dessen Baumeister Steinecker sich bereit erklärt hat, denselben als öffentlichen freien Platz mit einer Anlage auszustatten.“ Konkret handelte es sich dabei um ein Grundstück am unteren Teil der Haindlfinger Straße (seit 1910 „Prinz-Ludwig-Straße“), in deren Bereich zu dieser Zeit das sogenannte „Villenviertel“ der wohlhabenden Bürgerinnen und Bürger Freisings emporwuchs. Mit dem erwähnten „Baumeister Steinecker“ ist der Bauunternehmer und Architekt Alois Steinecker gemeint, einer der erfolgreichsten Freisinger Unternehmer seiner Zeit. Die meisten Grundstücke des neuen Viertels, zuvor als Lehmgruben für die Ziegelherstellung genutzt, lagen in seinem Besitz.

Mit Steinecker konnte nun bezüglich des Ludwig-II.-Denkmals offenbar weitgehende Übereinstimmung erzielt werden, so dass der Verein durch den Freisinger Bildhauer und Steinmetzmeister Josef Franz eine Planzeichnung sowie ein Gipsmodell der Anlage anfertigen ließ. Das Denkmal samt der umgebenden Grünanlage sollte auf einem rechteckigen Platz nördlich des zeitgleich errichteten neuen Finanzamtes (1906/07) realisiert werden, im Bereich des heutigen Anwesens Deutingerstraße 2. Bei näherer Betrachtung der Planzeichnung wird die städtebauliche Funktion des projektierten Denkmal-Standortes deutlich. Mehrere – bestehende wie geplante – Straßenzüge trafen hier zusammen: In Nord-Süd-Richtung verlaufend die Haindlfinger Straße (nachmalige „Prinz-Ludwig-Straße“), von Westen wie von Osten je eine noch nicht bezeichnete Straße (nachmalige „Heckenstallerstraße“ und „Deutingerstraße“) und von Nordwesten der in die Haindlfinger Straße mündende Plantagenweg. Für die nachmalige Heckenstallerstraße und den Plantagenweg hätte das Denkmal zudem die Funktion eines Point de vue erfüllt.

Für den Denkmal-Entwurf des Josef Franz waren stattliche Ausmaße vorgesehen: Ein mehrere Meter breiter Unterbau aus Muschelkalkstein samt einem vorgelagerten steinernen Podest, darüber die rund 2,5 m hohe Figur aus Untersberger Marmor. Der König wurde hier im Ornat des bayerischen St.-Georgs-Ritterorden dargestellt; vielleicht wählte man diese seltenere Darstellung Ludwigs bewusst, um eine vorsichtige Verbindung zum Freisinger Georgspatrozinium – der vorgesehene Standort lag im Pfarrsprengel von St. Georg – anzudeuten. Vor dem Denkmal sah man die Anlage zweier Rabatten sowie die Bepflanzung mit Hecken und Parkbäumen vor.

Insgesamt hätte die Realisierung gemäß dem Kostenvoranschlag des Bildhauers Franz rund 10.000 Mark gekostet, eine gewaltige Summe für ein Projekt, dessen Finanzierung ausschließlich über Spenden erfolgen sollte (zum Vergleich: das 1904-1911 errichtete und aufwändig ausgestattete Freisinger Rathaus kostete knapp 220.000 Mark). Die erforderliche Genehmigung zur Spendensammlung für das Freisinger Ludwig-II.-Denkmal durch die Regierung von Oberbayern wurde dem Verein schließlich für den Monat Mai 1907 erteilt, man war jedoch nicht mehr aktiv geworden. Tatsächlich hatte der Denkmal-Verein bis zu diesem Zeitpunkt über die Hälfte seiner Mitglieder verloren (von 192 Personen 1906 auf 82 Personen 1907), was der Vorsitzende, Notariatsbuchhalter Isidor Prantl, damit erklärte, dass „durch die nur langsam fortschreitende Ansamlung von Beiträgen der Endzweck des Vereines sich erst in einer Zeit erreichen ließe, zu welcher die meisten der zahlreichen Mitglieder sich nicht mehr am Leben befinden.“ Im Juli 1907 erklärte man den Verein schließlich als aufgelöst.

Auf die Errichtung eines Denkmals für König Ludwig II., eine Maßnahme, mit der die Stadt Freising laut dem damaligen Bürgermeister Stephan Bierner ihre „Anhänglichkeit an [ihr] hohes Herrscherhaus“ hätte demonstrieren können, wurde nunmehr verzichtet. Man fand jedoch Alternativen: Im neuen Rathaus wurde eine Büste des Prinzregenten Luitpold aufgestellt, ebenso benannte man nach ihm den neuen Stadtpark („Luitpoldpark“, später „Luitpoldanlagen“, heute zerstört). Die Straße, an der die Figur Ludwigs II. hätte stehen sollen, erhielt nach dem ältesten Sohn Luitpolds, Prinz Ludwig (ab 1913 König Ludwig III.) den Namen „Prinz-Ludwig-Straße“ – im Hinblick auf die Ungereimtheiten der Regentschaftsübernahmen 1886 und 1913 wirklich eine Ironie der Geschichte.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2013.
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