Faszination Fascinators
Im Atelier von Victoria Stettner

Die Ära, als Swing und Boogie ihre Hochzeiten erleben, das ist die Epoche, die Victoria Stettner (24) liebt. Und das schon seit Schulzeiten. Die 40er und 50er Jahre haben es ihr angetan, das damalige Lebensgefühl, die damalige Mode, das ist ihre Welt. Aber Victoria Stettner ist nicht nur Teil dieser Szene, sie mischt auch aktiv kräftig mit: Nicht nur, dass sie Boogie und Swing tanzt, nein, Stettner fertigt in ihrem kleinen, aber sehr feinen und geschmackvoll eingerichteten Atelier seit drei Jahren Fascinators an – jene festlichen Haarteile, die die Dame etwas seitlich am Kopf trägt und mit denen man, so sagt Veronica Stettner, „immer gut angezogen ist“. Stettner ist keine gelernte Hutmacherin, sondern hat Romanistik studiert und arbeitet derzeit beim Freisinger Tagblatt. Aber fast immer wenn sie Zeit hat, zieht sie sich in ihr Atelier in Neufahrn zurück. Ein Teil des umgebauten Kuhstalls aus ihres Großvaters Zeiten ist Werkstatt, Lager und Verkaufsraum zugleich. Dort greift sie zu Stoff, Schere, Nadel und Faden und lässt ihrer Kreativität freien Lauf. Rund acht Stunden später ist dann ein neuer Fascinator entstanden, der ihr eigenes Label trägt: Victoria Fragola.

In einem Geschäft in der Weizengasse in Freising hat sie bis vor kurzem, als das Geschäft schließen musste, ihre einzigartigen Stücke verkauft, ist auch auf Facebook vertreten, ist aber noch nicht groß in die Werbung und Vermarktung eingestiegen. Doch in der Szene ist sie bereits mehr als ein Geheimtipp, hat auch schon Kundinnen gehabt, die so ein edles, festliches Haarteil bei einer Hochzeit getragen haben. Und auf Festivals der Szene ist Victoria Stettner mit ihrem Label und ihren Fascinators ebenfalls oft vertreten. Als sie ein Jahr lang in Bologna studiert hat, hatte sie ihre Nähmaschine mit dabei, hat dort in Italien Stoffe gekauft und dort in Bologna auch sogar einen Laden gefunden, der ihre Produkte verkauft hat.

Die Nähmaschine braucht Victoria Stettner aber nur für die groben Vorarbeiten, ansonsten ist jeder ihrer Fascinators nicht nur ein Einzelstück, sondern auch Handarbeit. Edle, feine, gute Stoffe, dazu außergewöhnliche Kunstblumen, hochwertige Klammern – es steckt viel Liebe, viel Arbeit, viel Können, Geduld und Kreativität, aber auch viel Qualität in den Fascinators der Marke Victoria Fragola. Bis zu 1000 Stiche – alle mit der Hand ausgeführt – machen so einen Fascinator zu etwas ganz Besonderem. Anstrengend, so sagt Stettner, ist das vor allem für die Augen. „Und irgendwann bekommt man Genickstarre.“

Anregungen holt sich Victoria Stettner aus Büchern über Mode der 30er bis 50er Jahre, die bei ihr im Regal stehen. Aber Nachmachen kommt für sie nicht in Frage, die eigene Kreativität sei ihr sehr wichtig. Da ist zum Beispiel eine eigene Serie von Fascinators, die sie für das Oktoberfest herausgebracht hat. Und da ist die Modell-Serie Erna – benannt nach dem Vornamen der Oma und derzeit so etwas wie die Lieblingsteile von Stettner
Selbst, so sagt Victoria Stettner, trägt sie Fascinators, genauer: ihre Fascinators, selbstverständlich auf Festivals der Szene, aber auch bei Feiern und festlichen Anlässen. „Und ich hätte auch kein Problem, es einfach so mal zu tragen.“ Denn: Immer wenn ein Fascinator ihr Haupt schmückt, bekommt sie Komplimente, erzählt sie. Komisch angeschaut werde man nie. Doch lieber sind ihr im Alltag Haarbänder und Spangen – selbstverständlich ebenfalls aus der eigenen Werkstatt.

Noch ist das Anfertigen von Haarteilen, Haarbändern und Fascinators ein Hobby. Aber die 24-Jährige gibt offen zu: „Es wäre schon ein Traum und toll, wenn es mal richtig boomen würde und ich davon leben könnte.“ Ihr Freund hätte nichts dagegen. Der teilt die Leidenschaft der Victoria Stettner für die Zeit des Swing und Boogie.

Rund 20 Stoffballen und mehrere Kisten Stoff lagern in der Werkstatt von Stettner, die sich mit ihrem Hobby „kreativ ausleben“ will. Der Beweis: Auch wenn der Verkauf ihrer Fascinators momentan eine Taschengeld-Aufbesserung bringt, „ich würde es auch machen, wenn sie keiner kaufen würde“. Das glaubt man Victoria Stettner sofort, wenn man beobachtet, wie behutsam sie die Stücke unter den kleinen Glaskuppeln hervorholt und auf die Handfläche legt. Und man glaubt es Stettner auch sofort, wenn sie sagt: „Ich will mich mit was Schönem beschäftigen.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom November 2016.
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