Freisinger Schätze in München präsentiert
Dr. Ulrike Götz über wertvolle Exponate der Sonderausstellung „Pracht auf Pergament“ in der Hypo-Kunsthalle

Wertvollste Zeugnisse mittelalterlicher Schrift- und Bildkultur präsentiert die Bayerische Staatsbibliothek derzeit in der aktuellen Sonderausstellung der Hypo-Kunsthalle in München.  Darunter befinden sich zahlreiche bedeutende Handschriften aus Freising. Kunsthistorikerin Dr. Ulrike Götz, Leiterin des Stadtmuseums, empfiehlt den Besuch der Ausstellung.

Unter dem Titel „Pracht auf Pergament  – Schätze der Buchmalerei von 780 bis 1180“ haben 75 Bücher liturgischen, aber auch wissenschaftlichen und literarischen Inhalts für wenige Wochen ihre Tresore verlassen. Hergestellt wurden sie in Klöstern und Bischofssitzen vorwiegend des süddeutschen Raums, für den eigenen Gebrauch, aber auch für hochmögende Auftraggeber, nicht zuletzt den kaiserlichen Hof.
Es ist keine Übertreibung, wenn die Veranstalter diese Präsentation als „Generationenereignis“ bezeichnen. In dieser Fülle und Zusammensetzung – das gilt auch für die Freisinger Dokumente – werden die gezeigten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, ergänzt durch einige kostbare Zeugnisse der Staatsbibliothek Bamberg, für lange Zeit nicht mehr zu sehen sein.

Gold und Edelsteine

Der Bedeutung der Exponate entsprechend ist die Ausstellung mit hohem Anspruch an Gestaltung und Ästhetik konzipiert. Nahezu jedes Buch wird in einer eigenen großen Vitrine inszeniert. Diese sind teilweise sogar mit Spiegeln ausgestattet, damit auch die aufwändig mit Gold, Edelsteinen und Elfenbein geschmückten Einbände gut zu sehen sind.  Das in den Räumen herrschende Dunkel ist konservatorische Voraussetzung  für die Präsentation der hochempfindlichen Dokumente, zugleich bringt es diese um so mehr zur Geltung als darin leuchtende Schätze.
Höhepunkt der Ausstellung sind die ottonischen Prachtcodices, geschrieben und gemalt in den Jahren um 1000 im Kloster Reichenau, der damals bevorzugten Werkstätte für Aufträge des kaiserlichen Hofes. Es handelt sich um Handschriften, die den Status des Weltdokumentenerbes der Unesco besitzen und einen Versicherungswert in dreistelliger Millionenhöhe – darunter vor allem das Evangeliar Kaiser Ottos III., das Perikopenbuch Kaiser Heinrichs II. und die sogenannte Bamberger Apokalypse. Der Bildschmuck dieser Bücher ist in seiner Farbenpracht, in der gleichsam modern anmutenden Stilisierung des Dargestellten, im raffinierten Miteinander von Figur, Grund und Ornament sowie der handwerklichen Präzision der Ausführung von unvergleichlichem Ausdruck.

Weltkarte mit Klimazonen

In unmittelbarer Nachbarschaft dieser „Giganten“ mittelalterlich-abendländischer Kunst- und Kulturgeschichte werden nun auch zahlreiche Bücher gezeigt, die mit Freising verbunden sind. Unter den 75 Exponaten wählten die Kuratoren allein 11 Codices aus, die aus der Bibliothek des Freisinger Doms bzw. des Klosters Weihenstephan stammen und/oder in Freising hergestellt wurden.  Der mittelalterliche Bischofssitz an der Isar beweist sich einmal mehr als herausragendes kulturelles und geistiges Zentrum der karolingischen und ottonischen Epoche, der Zeit vor und um die Jahrtausendwende,.
Eines der ältesten in der Ausstellung gezeigten Zeugnisse ist ein Evangeliar, das um 860 im Freisinger Skriptorium  entstanden ist und später ins Kloster Schäftlarn gelangte (Clm 17011). Wie in mittelalterlichen Evangelienbüchern üblich, sind zu Beginn der 4 Evangelien jeweils die Evangelisten dargestellt, hier aufgeschlagen die Seite mit dem „Porträt“ des heiligen Matthäus. In größter Aufmerksamkeit und Wachheit legt der Evangelist seinen Text nieder.  Der nervös-lebendige Pinselduktus, in dem vor allem das Gewand  ausgeführt ist, weist  auf den Einfluss der berühmten Malschule von Reims, eines Zentrums der karolingischen Buchmalerei.
Zu den besonders aufwändig ausgestatteten Freisinger Büchern gehört auch ein Sakramentar Bischof Abrahams, im späten 10. Jahrhundert auf dem Domberg für die Liturgie der Domkirche entstanden (Clm 6421). Es handelt sich um „eine der ältesten erhaltenen Prachthandschriften aus Bayern“, wie der Ausstellungskatalog formuliert.
Es sind jedoch nicht nur liturgische Bücher, die auf dem Freisinger Mons doctus hergestellt und aufbewahrt wurden. In einer aus dem frühen 11. Jahrhundert  stammenden Sammelhandschrift der Freisinger Bibliothek, die Texte der antiken römischen Philosophen und Schriftsteller  Boethius, Cicero und Plinius d.Ä. enthält, findet sich auch ein Text des spätantiken Philosophen Macrobius, der u.a. geographische Themen behandelt. Er ist durch eine sogenannte Zonenkarte illustriert, eine schematische Darstellung des in 5 Klimazonen eingeteilten Erdkreises, mit der Abbildung der Meere und Kontinente, wobei vor allem das Mittelmeer, Italien und die Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika gut zu identifizieren sind (Clm 6362).
In einem aus dem Kloster St. Emmeram in Regensburg stammenden Sammelband , der diverse Schriften über Musik aus dem 9. bis 13. Jahrhundert vereint, finden sich  Zeichnungen, die im 3. Viertel des 9. Jahrhunderts wiederum in Freising gefertigt wurden (Clm 14523). Sie zeigen in stilisierter Form Musikinstrumente, die in der Bibel erwähnt werden, etwa die Tuba und die Cithara. Nicht bei allen Darstellungen ist dabei geklärt, ob die jeweilige Zeichnung ein der Zeit tatsächlich bekanntes Instrument wiedergibt oder ob die Darstellung rein sinnbildlich gemeint ist.
In der Ausstellung zu sehen ist auch jenes pastorale Handbuch des Freisinger Bischofs Abraham aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhundert (Clm 6426), das u.a.  die berühmten „Freisinger Denkmäler“ beinhaltet, drei Texte für die praktische Seelsorge in slawischer Sprache. Es handelt sich um die mit Abstand frühesten schriftlichen Zeugnisse des Altslowenischen, von größter Bedeutung für die Erforschung der slawischen Sprachentwicklung insgesamt.
All diese Freisinger Bücher wurden im Zuge der Säkularisation in die kurfürstliche Bibliothek nach München verbracht und sorgfältig verzeichnet. Sie werden heute durch deren Nachfolgerin, die Bayerische Staatsbibliothek, unter strengsten konservatorischen Bedingungen und größten Sicherheitsvorkehrungen aufbewahrt.
Die Sonderausstellung „Pracht auf Pergament“, die noch bis 13. Januar 2013 läuft, ist ein „Muss“ für jeden, der an Freising, seiner Geschichte und seiner Kultur interessiert ist. So unmittelbar und „hautnah“ wie in dieser Ausstellung wird die außerordentliche Bedeutung der frühen Bischofsstadt Freising so bald nicht wieder erfahrbar sein.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Januar 2013.
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