Freisinger Unterwelt
Die Bierkeller der einstigen Freisinger Brauereien

Auf dem Domberg wurde nachweislich seit dem Jahr 1160 Bier gebraut. Auch das Kloster Weihenstephan hatte bereits um 1040 von seinem Gründer, Bischof Egilbert von Freising, das Recht verliehen bekommen, in Freising Bier zu brauen; dieses Recht wurde später in die vom Kloster Weihenstephan erworbene Hofmark Vötting verlegt. All dies bedeutet aber nicht, dass vor dieser Zeit kein Bier in Freising getrunken beziehungsweise gebraut wurde. Im Gegenteil, viele heute noch vorhandene Dokumente seit der Zeit des 9. Jahrhunderts belegen Hopfen-, Malz- und Bierlieferungen (sowohl wagen- als auch eimerweise). Um 1355 gab es bereits eine Vereinigung der Bräugesellen der Stadt, die im Stadtrat von zwei Bürgern vertreten wurden, was auf das Vorhandensein von bürgerlichen Brauereien schon vor dieser Zeit hinweist. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es dann in Freising 18 Brauerein, die jedoch nach und nach, bis auf das Hofbräuhaus Freising und die Staatsbrauerei Weihenstephan, ihren Betrieb einstellten. Die ehemals bürgerlichen Brauereien gibt es zwar heute nicht mehr, aber sie haben uns noch stumme Zeugen aus den letzten 400 Jahren Freisinger Bierkultur hinterlassen: Das sind ihre Bierkeller, die zum Teil noch tief unter der Erde schlummern.

Zur Kühlung des Bieres in Bierkellern

Es gab (und gibt) Bierkeller unterschiedlichster Größe, direkt gelegen unter den Brauereien oder bei den nahe liegenden Kellerhäusern sowie später bei den Märzenkellern außerhalb der Stadt. Zur Herstellung eines guten Bieres waren diese Keller sehr wichtig, konnte das Bier doch darin auch über die Sommermonate hinweg ausreichend kühl gelagert werden. Das letzte, etwas stärkere und mit mehr Hopfen eingebraute Märzen- oder Sommerbier durfte nur bis Georgi (23. April) eingebraut werden und es musste dann bis weit in den Oktober hinein seine Trinkqualität behalten, bevor dann erst ab Michaeli (29. September) wieder neues Bier gebraut werden konnte. Dies besagte eine uralte landesherrliche Ordnung für ganz Bayern, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts gültig war. Für das bis 1802/03 bestehende Fürstentum (Hochstift) Freising, zu dessen Territorium ja auch die Stadt Freising gehörte, galt eine ähnliche Regelung. Noch am 4. September 1862 bat der Laubenbräuer Joseph Duschl den Magistrat der Stadt Freising, dass er ausnahmsweise mit dem Einsieden des Winterbieres vor der gesetzlichen Zeit anfangen dürfe, da ihm sonst das Bier ausgehe. Die einzige Möglichkeit das Bier ausreichend kühl zu halten, bevor Carl von Linde 1871 seine Kältemaschine zum Patent anmeldete, war damals die Kühlung der Keller und der Fässer mit Natureis. Dieses wurde im Winter aus Flüssen, Seen oder eigens angelegten Teichen in mühsamer Arbeit gewonnen und das zerhackte Eis dann in die Keller mit den darin liegenden Bierfässer geschüttet – so auch in Freising.

Wo lagen (und liegen) die Freisinger Keller?

Für die Freisinger Brauereien können wir feststellen, dass diejenigen, die nördlich der Hauptstraße lagen, ihre Bierkeller unter den Brauereien bzw. direkt dahinter liegen hatten. Dort wurden die Gewölbekeller dann ausreichend tief in das nach Norden ansteigende Gelände gegraben. Das war so beim Stieglbräu, beim Furtnerbräu, beim Zehetmairbräu, beim Laubenbräu, beim Heiglbräu und dem Weindlbräu. Auch das Franziskanerkloster hatte seine Brauereikeller gleich neben der Brauerei auf der gegenüberliegenden Seite am oberen Ende der Weizengasse. Die Brauereien südlich der Hauptstraße, die nur wenig über dem Grundwasser beziehungsweise dem Moosachspiegel lagen, mussten sich einen anderen Ort für gute Keller, wenn möglich in ihrer Nähe, suchen. Dies gelang zum Beispiel mit der Erwerbung eines Grundstücks oberhalb der nördlichen Hauptstraßenseite, wie es beim Jungbräu, beim Paulimayrbräu oder auch beim Hummlbräu der Fall war. Die Brauereien am unteren Ende der Stadt, der Gößweinbräu, der Schweinhammerbräu, der Hasiberbräu, der Hacklbräu oder auch der Hagnbräu hatten ihre Keller alle auf dem Büchl, wo auch heute noch die ältes-ten in Freising erhaltenen Keller zu finden sind. Die großen, 80 Fass fassenden Keller der einstigen Klosterbrauerei in Neustift lagen ihr gegenüber an der Alten Poststraße, gleich hinter dem heutigen Gasthaus „B-Trieb“, eingebaut in den ansteigenden Hang. Bis zu zehn Bierkeller besaßen sowohl das Hofbräuhaus auf dem Domberg (acht davon an der Nordseite) als auch die Klosterbrauerei Weihenstephan, die teilweise unter dem ehemaligen Klostertrakt lagen, sich vor allem aber an der Nordseite an die ehemalige Klosterkirche und das heutige Sudhaus anschlossen.

Durch den ansteigenden Bierbedarf, dem man nicht mehr über die Produktion beziehungsweise Lagerung in den alten, innerhalb der Stadt gelegenen Brauerei- und Kelleranlagen nachkommen konnte, und nicht zuletzt auch durch den Einsatz neuer Brautechnologien etablierten sich nach und nach etliche Sommerbierkeller etwas außerhalb der Stadt. Im Umfeld dieser neuen Sommerbierkeller konnte man unter schattigen Bäumen bei einem kühlen Trunk und etwas später auch bei einer Brotzeit im Sommer die Natur genießen. Die Sommerkeller wurden bald Orte der Erholung, der Begegnung und des gesellschaftlichen Lebens: der Beginn der bayerischen Biergarten-Tradition.

Derartige Kelleranlagen befanden (und befinden) sich in Freising beispielsweise am Veitsberg (Sporrerkeller, heute Lindenkeller). An der Vöttinger Straße entlang des Weihenstephaner Berges waren es der Hacklkeller und der Schweinhammerkeller, an der Wippenhauser Straße der Furt-nerkeller und der Daurerkeller. Oberhalb von diesem lag an der Haydstraße  die Daurerschenke mit darunterliegendem Sommer- und Eiskeller. Weiter gab es den Gößweinkeller und den Laubenbräukeller (auch „Peterkeller“, im November 2013 verfüllt) an der Mainburgerstraße sowie den späteren Hofbräuhauskeller oberhalb des heutigen Hofbräuhauses an der Lankesbergstraße. In Neustift lagen der Obere Urbankeller und der Rudolphkeller entlang der alten Poststraße. An der Altenhauser Straße war der Untere Urbankeller zu finden. Einen weiteren Keller gab es an der Landshuter Straße kurz vor der Auffahrt nach Tuching. Hier lag der um 1882 erbaute Seiderer- und Eichnerkeller, auf dem an Sonn- und Feiertagen unter den schattigen Bäumen von dem gegenüber an der Landshuter Straße liegenden Gastwirt Joseph Zolls, „Zum Holledauer Hof“,  Bier frisch aus den Holzfässern des Sommerbierkellers ausgeschenkt wurde.

Eine letzte Nutzung erlebten diese Keller dann noch als Luftschutzkeller im Zweiten Weltkrieg, bevor sie danach fast ausnahmslos in Vergessenheit gerieten. Heute dienen diese durchaus erhaltungswürdigen Kelleranlagen zum Teil noch als Lagerräume. Die meisten jedoch zerfallen langsam oder werden verfüllt, um neuen darüber liegenden Gebäuden die notwendige Grundfeste zu geben oder sie dämmern dahin – in Erinnerung an ihre einstmals glanzvolle Zeit, als in ihren Gewölben noch das kostbare Bier für die Freisinger Bürger heranreifte.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Dezember 2013.
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