Hier schreibt die Stadt Freising: Bierkrüge made in Germany
Nach dem Volksfest schließt die vielbeachtete Sonderausstellung im Stadtmuseum

Wenn Freising vom 02. September an insgesamt zehn Tage lang mit vielen Gästen aus der ganzen Region sein Volksfest feiert, beweist sich weithin eindrucksvoll, wie lebendig, fröhlich und attraktiv die Kreisstadt für jung und alt ist. Das bunte Volksfest-Treiben hat auch im 21. Jahrhundert nichts von seiner Anziehungskraft verloren – und in einer Bierstadt gehört’s ohnehin zum Jahreslauf:
Zu den besonderen Merkmalen, mit denen man Freising überregional verbindet, zählt das Nahrungs- und Genussmittel Bier: In Freising wird nicht nur seit Jahrhunderten Bier gebraut, sondern auch auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zum Bier geforscht und vor allem das Bierbrauen akademisch gelehrt.
Zu den frühesten schriftlichen Erwähnungen von Bier, Malz, Hopfen und Hopfengärten im mitteleuropäischen Raum zählen Freisinger Schriftquellen des 9. Jahrhunderts – nur ein interessanter Aspekt für alle, die sich mit der Tradition der Bierstadt auseinandersetzen. Mit seiner aktuellen Sonderausstellung „Bierkrüge made in Germany – Die Freisinger Firma Hauber & Reuther 1876 – 1906“ schlägt das Stadtmuseum Freising ein wenig bekanntes Kapitel Freisinger Unternehmensgeschichte auf.
Am Donnerstag, 08. September 2011, findet anlässlich des Volksfestes um 18.30 Uhr letztmals eine Sonderführung statt. Im Blickpunkt steht die Firma Hauber & Reuther, die zwischen 1876 und 1906 am Wörth vor allem reich verzierte Steinzeugkrüge in Serienproduktion für einen internationalen Markt herstellte. Sie war die einzige Fabrik im Altbayerischen, die jemals Steinzeug herstellte.
Erst seit den Ausgrabungen von Erwin Neumair (Archäologischer Verein) am Standort der Fabrik in den Jahren 1988/90 konnte die ligierte Herstellermarke HR eindeutig Hauber & Reuther zugeordnet werden. Die Ausstellung erläutert die Gründung und Entwicklung der Firma, widmet sich der Produktionsweise, die dank der Leihgaben des Archäologischen Vereins anschaulich präsentiert ist, der Werbung und dem Vertrieb und geht detailliert auf die Marken ein. Zudem werden die Vorlagen des Bildschmuckes näher erklärt sowie der historische Kontext der bürgerlichen Wohn- und Lebenskultur im Historismus dargelegt. Dazu vermittelt ein schmiedeeiserner, bereits elektrisch(!) betriebener Deckenleuchter etwas von der Atmosphäre jener Jahre. Der Leuchter (eine Leihgabe von Karl Dettenhofer) verdeutlicht auch noch einmal das für diese Epoche so typische Zusammentreffen von traditioneller, bodenständiger Gestalt und Bilderwelt einerseits und moderner Technik andererseits.
Die Gründung der Fabrik Hauber & Reuther 1876 zeigt mit auf, dass das industrielle Zeitalter in der alten Bischofsstadt Fuß fasste: In Bayern gibt es keine Vorkommen an Ton, die für eine Steinzeugproduktion geeignet sind. Daher war wohl allein der Absatzmarkt Anlass für die Gründung der Firma durch Max Borho und Adam Schön. Im Westerwald, wo Borho arbeitete und sich das technische Know-how aneignete, war bekannt, dass Bayern einen extrem hohen Bedarf an Bierkrügen hatte. In einem Bericht zur wirtschaftlichen Situation im „Kannenbäckerland“ von 1895 stand: „Ein trockener und warmer Sommer, der die Volksfeste im Freien begünstigt und überall den Durst vermehrt,… steigert mitunter die Nachfrage derart, dass ihr nicht genügt werden kann. …die billigste und schlechteste (Ware) findet immer noch willige Abnahme für die süddeutschen Volksfeste im Freien mit der beliebten Rauferei.“ Noch 1876 verlässt Borho Freising und Albert Hauber aus Ludwigsburg steigt in die Firma ein. Zwei Jahre später verkauft Schön seinen Anteil an Hauber. Hans Reuther, der evtl. über Haubers Frau Katharina mit ihm verwandt ist, kommt dazu. Die Fabrik, die 1882 bereits 30 Arbeiter hatte, produzierte zunächst im „Altdeutschen“ Stil, d.h. es wurden Kopien von Gefäßen des 16./17. Jh. angefertigt (z.B. in „Raerener Art“) bzw. neue Formen mit alten Dekoren versehen. Es gab damals einen großen Markt für solche reich verzierten Artikel, wobei sich Krüge einer ganz besonderen Beliebtheit erfreuten. Mit der Erfindung des Elfenbeinsteinzeugs konnte man auch bunte Bemalungen aufbringen. Man ließ viele dieser Krüge z.B. bei Merkelbach & Wick vorfertigen und bemalte sie dann in Freising.
Um die Jahrhundertwende zeichnete sich ein kultur- und stilgeschichtlicher Wandel ab. Das gehobene Bürgertum wandte sich neuen Formen des Wohnen und Lebens zu, fand vor allem im Jugendstil neue Darstellungsmöglichkeiten. Hauber & Reuther konnte diesen Veränderungen nicht folgen. Das Ende der Freisinger Firma 1906 spiegelt folgerichtig das Versiegen eines Marktes und das Zu-Ende-Gehen einer Epoche.
Die Ausstellung kann noch bis 18. September von Mittwoch bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr im Stadtmuseum (Asamgebäude, Marienplatz 7, 1. Stock) besichtigt werden, am Donnerstag, 01. September 2011, bei der monatlichen Abendöffnung natürlich auch bis 20 Uhr.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom September 2011.
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