„Man muss die Menschen mögen.“
100 Jahre Bankhaus Ludwig Sperrer

„Wir beehren uns, Ihnen höflich mitzuteilen, daß wir mit Wirkung vom 1. Juli a.c. unser in Freising bestehendes Filial-Bankgeschäft an unseren dortigen Filialleiter […] abgetreten haben.“ Diese Nachricht erhielten im Sommer 1913 die Freisinger Kunden des Münchener Bankhauses A. M. & J. Heilbronner. Der 25-jährige Ludwig aus Berghaselbach, drittes von acht Kindern einer Gastwirts-Familie, hatte erst drei Jahre zuvor die Leitung der Freisinger Zweigstelle des Bankhauses übernommen. Doch der gelernte Jung-Bankier war höchst ambitioniert. Mit 16 Jahren erlernte er im fränkischen Kitzingen am Main das Handwerk, kehrte nach Abschluss seiner Lehre wieder nach Freising zurück und trat dort eine Stelle in dem erst kurz zuvor eröffneten Bankgeschäft an. Die Entscheidung, die Filiale im Döbl-Haus in der Unteren Hauptstraße aufzukaufen, folgte schon nach kurzer Zeit. Die dafür erforderlichen 40.000 Mark konnte er, mit der Unterstützung seines Vaters Matthias, ohne größere Probleme aufbringen. Und so wurde vor 100 Jahren ein neues Bankgeschäft gegründet und damit auch ein Stück Freisinger Geschichte geschrieben. Mit den Grundsätzen „solid, gewissenhaft und verschwiegen“ eröffnete in der Domstadt am 1. Juli 1913 das Bankhaus Ludwig Sperrer.

„Es ist nicht nur eine Freude, dieses Jubiläum zu feiern, sondern auch eine Pflicht.“, erklärt Christian Sperrer, Enkel des 1961 verstorbenen Firmengründers, heute. Sein Großvater und sein Vater waren „zwei Menschen, die die Bank 100 Jahre lang geprägt haben“, fortwährend mit der Kernidee der persönlichen Verantwortung. „Bei mir haftet das gesamte private Vermögen“, so der 43-jährige. Heute ist das Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 230 Millionen Euro eine feste Institution im Landkreis. „Und wir bleiben in Freising.“ Nie habe es Bestrebungen gegeben, „räumlich zu expandieren“. Überhaupt sei „Wachstum für uns kein Ziel an sich.“, beschreibt Chris-tian Sperrer das Credo der Privatbank. „Was wir wollen, ist, unsere Kunden persönlich zu kennen, Kundenbeziehungen über Jahrzehnte zu schaffen.“ Dabei sei das Bankhaus auch kein Institut nur für wohlhabendere Freisinger, räumt Sperrer ein oft aufgeführtes Vorurteil aus der Welt. Das Kreditinstitut kümmere sich um die Belange jedes Kunden. Somit erstrecke sich das Klientel „vom Sparbuch für das neugeborene Kind bis hin zum Millionär. Ja, den haben wir natürlich auch.“

Der Erste Weltkrieg  erreicht Freising und Ludwig Sperrer, der in seinem ersten Jahr als Eigentümer große Erfolge mit dem Geschäft der Pfandbriefvermittlung feiern konnte, musste um sein Bankgeschäft bangen. Eine Vielzahl der damaligen Kunden waren Landwirte und der Agrarsektor litt massiv unter der Kriegswirtschaft. Das neue Geschäft der Kriegsanleihen barg zudem ein großes Risiko, da mit den verstreichenden Jahren der Kriegsausgang zunehmend ungewiss zu werden schien. 1917 sah sich der zum Heer einberufene Sperrer gezwungen, seine Bank an die Bayerische Handelsbank zu verkaufen. Aus der Vereinbarung mit seinem Kontrahenten ging jedoch hervor, dass der junge Unternehmer auch weiterhin die Geschäftsleitung der Filiale innehaben sollte. Fünf Jahre später, der Frieden war wieder eingekehrt und auch die revolutionären Unruhen in Bayern gehörten der Vergangenheit an, gelang Sperrer erneut der Schritt in die Selbstständigkeit und er kaufte sich „sein“ Bankhaus zurück. Nach Ende der Inflation im Herbst 1923, das Bankhaus zählte inzwischen 15 Mitarbeiter, gelang es Sperrer mit attraktiven Zinsen das Geschäft wieder zu beleben. So zahlte er seinen Kunden für ein Tagesgeld 10 Prozent Zinsen. Zur gleichen Zeit eröffnete sein jüngerer Bruder Kaspar, mit Unterstützung und in Zusammenarbeit mit Ludwig, in Moosburg das Bankgeschäft K. Sperrer. Ludwig selbst war mit seinem Bankhaus inzwischen in die Mittlere Hauptstraße 8, heute die Obere Hauptstraße 11, gezogen – bis 1972 der Sitz des Unternehmens.
Vier Filialen und „etwa 55 Mitarbeiter“ zählt das Bankhaus heute, so legt es Chris-tian Sperrer dar. Auf das Tagesgeld gibt es „keine Höchstkonditionen“. Als Privatbank lege man Wert auf „Klasse statt Masse“ und so steht wiederum die persönliche Beratung im Vordergrund und „Service kostet eben was“, so Sperrer. „Aufgrund der Komplexität und der Schwierigkeiten, die es an den Finanzmärkten gibt“, werde es für den Verbraucher zunehmend anstrengender, sich mit den unterschiedlichen Anlagemodellen und Konditionen vertraut zu machen. „Und dafür wollen wir Ansprechpartner sein.“ Die Unternehmensleitung teilt sich der gebürtige Freisinger mit Hans-Roland Weiß und Alois Wöhrl, beide Geschäftsführer der Bankhaus Ludwig Sperrer KG. Letzteren verbindet eine ganz besondere Beziehung mit dem Unternehmen. Schon 1967 trat der damals 16-jährige als Lehrling in das Bankhaus ein und verbrachte bis heute sein gesamtes Berufsleben bei der Privatbank. Eingestellt und gefördert wurde er dabei von Hans Sperrer.

Im Frühjahr 1934 erblickte Johannes als drittes Kind der Eheleute Ludwig und Maria Sperrer das Licht der Welt. Sein Vater hatte kurz zuvor das Bankgeschäft seines 1930 verstorbenen Bruders Kaspar in Zusammenarbeit mit dessen Witwe Elisabeth im Rahmen einer offenen Handelsgesellschaft in das Freisinger Kreditinstitut mit eingegliedert. Es folgten die Jahre des Nationalsozialismus in Deutschland und kurz nach Einbruch des Zweiten Weltkrieges fiel Ludwig Sperrers gleichnamiger Sohn, gerade 20 Jahre alt geworden. Die Stadt Freising blieb vom Krieg weitgehend verschont und mit der Erweiterung um einen neuen Geschäftsbereich gelang es der Sperrer-Bank ab 1943, viele neue Kunden zu gewinnen. Die Molkerei Weihenstephan war auf der Suche nach einem Kreditinstitut, welches den Landwirten das Entgelt für die gelieferte Milch auszahlte und vereinbarte mit Ludwig Sperrer die Errichtung eines „Milchschalters“ in seinem Bankhaus. Viele der Bauern eröffneten daraufhin ein Konto bei Sperrer und so gelang es der Privatbank, seinen Kundenkreis stetig zu erweitern. Diese Erfolge setzten sich auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges fort. Das Bankgeschäft profitierte selbstverständlich vom Wirtschaftsaufschwung im Westen Deutschlands und in den 50er Jahren sammelte Hans Sperrer als junger Erwachsener Branchenerfahrung bei verschiedenen Bankhäusern in München, Augsburg und Köln. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1961 übernahm er schließlich die Leitung des Familienunternehmens.

„Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es noch nie ein Verlustjahr“, verdeutlicht Christian Sperrer den anhaltenden Erfolgskurs seines Bankhauses. Dies sei angesichts mehrerer Wirtschaftskrisen für eine Privatbank keineswegs selbstverständlich. „In Bayern gibt es nur noch gut eine Handvoll an Privatbanken“, deutschlandweit etwa „fünfzehn bis zwanzig inhabergeführte Häuser“. Doch die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit ist dem Familienunternehmen mehr wert, als alles andere. „Wir bekommen keine Konzernvorgaben, keine regulatorischen Vorschriften“, erklärt der Bankier. „Und das können wir direkt an unsere Mitarbeiter weitergeben.“ So gebe es im Bankhaus keinerlei Vorgaben für bestimmte Verkaufszahlen, „keinen Druck“ für die Vertriebsangestellten. „Es ist wunderschön zu betrachten, wie hier ein Nischenplayer über 100 Jahre zu seiner Kernidee“ stehe, nämlich „Verantwortung und Haftung, in einer Hand zu halten“, betont auch Silke Wolf, Geschäftsführerin des Bayerischen Bankenverbandes. „Beim Bankhaus Sperrer ist man seiner Geschichte und seiner altbayerischen Heimat treu geblieben, ist nah bei den Menschen vor Ort und betreibt dort das klassische Bankgeschäft.“

1972, zwei Jahre nach der Geburt von Christian Sperrer, eröffnete das Bankhaus seine Räumlichkeiten am Freisinger Marienplatz, bis heute der Stammsitz der Privatbank. Ein konsequenter Schritt, um den inzwischen mehr als 30 Mitarbeitern ausreichend Platz bieten zu können. Vier Jahre später erfolgte die Einweihung der Geschäftsstelle in Neustift, 1990 schließlich die Erweiterung nach Lerchenfeld. Mit der Gründung der EFDIS AG als Tochterunternehmen der Sperrer-Bank gelang es dem Unternehmen im Jahr 1997 zudem, die Entwicklung einer Kernbankensoftware sowie  seit 2012 einer Online-Banking-Lösung in der eigenen Hand zu halten. Die EFDIS AG, die heute mit etwa 60 Mitarbeitern ebenfalls am Freisinger Marienplatz sowie in der Münchener Straße ihre Geschäfte führt, avancierte in den vergangenen Jahren zu einem der angesehensten Dienstleister der Branche – mit inzwischen mehr als 20 Kunden im Banken- und Finanzsektor. 2005 übernahm Christian Sperrer die Leitung des Unternehmens und wurde im Jahr darauf auch persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter der Sperrer-Bank. Hans Sperrer starb am 13. Oktober 2011.

„Was macht denn das Bankhaus Sperrer nun zum 100-Jährigen?“, erfragt Christian Sperrer rhetorisch. „An und für sich“ sei „am 1. Juli Geburtstag“. In diesem Zuge findet am 28. Juni ein Festakt mit geladenen Gäs-ten im Asamfoyer statt. Mit Hans-Werner Sinn gewann das Bankhaus dabei einen „hochkarätigen Festredner“ und „einen der streitbarsten Ökonomen“ der Zeit. Die Moderation führt Corinna Wohlfeil, bekannt vom Nachrichtensender NTV. Eine offene Veranstaltung für alle interessierten Freisingerinnen und Freisinger folgt am Samstag, 29. Juni, in den Räumlichkeiten des Marriott Hotels. Im Rahmen der Publikums- und Informationsmesse „100 Jahre Geld, Vermögen & Finanzen“ gewährt das Bankhaus Einblick in seinen Geschäftsalltag. „Was bietet eine Privatbank an? Wie bietet sie es an?“ Diese Fragen werden an insgesamt 33 Messeständen vom Bankhaus sowie seinen Partnern beantwortet. Dazu soll mit 35 Vorträgen informiert, beraten und aufgeklärt werden. „Highlights“ hierbei werden beispielsweise die Beiträge der Freisinger Notar-Sozietät Kleine & Leupold mit den Themen „Erben & Verschenken“ sowie „Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung“. Und auch die Freisinger Polizei ist mit von der Partie und will aufklären über die Risiken und den Schutz im Umgang mit Online-Banking. „Es ist ein Kraftakt, das alles auf die Beine zu stellen“, verdeutlicht Christian Sperrer die Bestrebungen zu diesem Jubiläum, „aber wir tun das gerne.“

Zwei Weltkriege, vier Währungsreformen, Inflation und Wirtschaftskrisen überstand das Bankhaus Ludwig Sperrer im Laufe des letzten Jahrhunderts. Die Philosophie, von der es dabei begleitet wurde und die heute den Markenauftritt des Unternehmens prägt, ist das Festhalten an den Grundsätzen Tradition, Unabhängigkeit und Ortsverbundenheit. Außerdem sei die „außergewöhnlich persönlich orientierte Beratung“ stets im Zentrum des Handelns der drei Generationen Bankier-Familie gewesen, unterstreicht Christian Sperrer. Das Kundengeschäft sei vor allem ihm persönlich wichtig. „Ich verkrieche mich nicht in meinem Büro im 5. Stock.“, betont er nachdrücklich. „Man muss die Menschen mögen.“

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom April 2013.
In unserer Bibliothek können Sie diese und alle anderen Ausgaben der letzten Jahre online lesen.

zur Bibliothek...
weitere Artikel zu diesem Thema: