Timi geht essen: bei den Pfadfindern

Eigentlich komme ich ja zumeist unangekündigt, esse anständig und mit großem Hunger und verschwinde auch wieder ohne großartige Formeln des Grußes. Dieses Mal war allerdings alles etwas anders. Die Pfadfinder Freising hatten mich anlässlich ihres Pfingstlagers zum Abendessen eingeladen. Da komm ich natürlich gerne. Da ich selbst nie bei den Pfadfindern war, weiß ich auch nicht, was ein StaVo oder ein Wölfling ist. Außer dass ich seit geraumer Zeit recht anständig meine Schuhbandl binden kann, kann ich keine nennenswerte Knotenkunst vorweisen. Beim Lagerfeuer Anzünden brauch ich eine halbe Flasche flüssigen Grillanzünder und wenn´s regnet, will ich heim! Höchste Zeit also, mir mal anzusehen, wie das besser geht.

Der Michi, unser Fink Haus-und-Hof-Fotograph begleitet mich freundlicherweise. Er hat auch keine Ahnung vom Pfadfindertum aber durch seine freundliche Art wirkt er nicht so skeptisch wie ich und findet sofort Anschluss zu den Leuten. Ich stehe ein bisschen blöd in der Ecke, werde aber dann sofort von ein paar freundlichen Pfadfinder Boys zu „Plörre“ eingeladen. So heißt hier das Getränk, das alle trinken. Eine Art Eisteekonzentrat, das immer auf Zeltlagern der Pfadfinder getrunken wird. Es ist ganz in Ordnung, hat aber seinen Namen vermutlich nicht zu Unrecht.
Zum Glück bringt uns Florian aka. Freeze eine Apfelschorle in der Flasche vorbei. Die bekommen hier nur die Promis – oder Leute, die ihre Becher vergessen haben, so wie wir. Der Pfadfinder hat nämlich stets sein eigenes Besteck und Geschirr dabei. Das Trinkbesteck ist hierbei zumeist mit einem hochgradig verbeulten Karabiner am Hosenbund befestigt. Zum Glück haben wir unser eigenes Essbesteck und Teller dabei. 10 Minuten vor Abfahrt zum Zeltplatz bekam ich Gottseidank eine knappe SMS: „Wenn ihr was essen wollt: Besteck mitnehmen!“ Nur den Trinkbecher hatten wir eben vergessen.
Gekennzeichnet mit unserer „Becher-Vergesser“ Apfelschorle führt uns die hochmotivierte Stammesvorsitzende Enie (das ist also ein StaVo) durch das Zeltlager. Es ist gerade „freie Beschäftigung“. Also eine Einladung zum Blödsinn machen quasi. Da wird sich um einen Football gestritten, Lagerfeuerlieder werden mit neuen Texten umgedichtet, es wird mit mehr oder weniger Erfolg an Stöcken herumgeschnitzt oder in Mädelsrunden gekichert und gequatscht. Es sind überdimensionale Zelte aufgebaut und in der Mitte des Platzes warten professionell aufgeschichtete Holzscheitel auf deren Erleuchtung.  Um 20 Uhr gibt es das große Lagerfeuer.

Wer das alles selbst erleben möchte, dem sei das Schaulager der Pfadfinder am Rang in Weihenstephan am 22. Juni nahegelegt. Mich interessiert am meisten das Küchenzelt: Da riecht es schon herrlich nach angebratenen Zwiebeln. Hier wird mir auch die großartige Erfindung des Knödel-Karussells anschaulich erklärt. Auf zwei zusammengestellten Biertischen (höchst vorbildlich mit Frischhaltefolie verkleidet) stehen der Knödelteig in einer Plastikbadewanne und eine überdimensionale Schüssel voll Wasser. Acht bis zehn Kinder um die 10 Jahre stehen um den Tisch und nehmen sich nacheinander Knödelteig aus der Wanne. In der Zeit, die es dauert, einmal um den Tisch zu watscheln, hat das Kind den Knödel fertig geformt. Dann werden die Hände in der Wasserschüssel gewaschen und eine neue Runde Knödel drehen beginnt. Ein Heidenspaß, das zu beobachten!

Der Hobbykoch Moritz rührt gerade noch in seiner Schwammerlsoße und setzt nebenbei das Kraut für die Schupfnudeln an. Und dann geht alles ganz schnell: Einer schreit laut ESSSEEEEEEENNNNN! Die Holzschnitzereien werden unachtsam auf den Boden geworfen, der Football wird weggelegt und ein hungriger Mob Pfadfinder in mehr oder weniger akkurat angelegter Kluft stürmt auf das Küchenzelt zu. Moritz hat damit zu kämpfen, die 250 Knödel auf den Ausgabe Tisch zu hieven. Währenddessen bildet sich eine schier unendliche Schlange vor der Ausgabe. Es wird unüberhörbar mit dem Besteck auf die Blechteller geklopft: Die Pfadfinderlein haben Hunger! Es gibt Knödel mit Schwammerl-Sahne Sauce oder für die Lactose-Intoleranten Schupfnudeln mit Kraut.
Trotz der ganzen Aufregung und den vielen Menschen geht es hier unfassbar geordnet zu. Die Küchenmannschaft an der Ausgabe ist ein eingespieltes Team. Jeder hat hier seine Aufgabe. Die Übrigen stehen brav in der Reihe und warten, bis sie dran sind. Kein Drängeln, kein Schubsen. Jeder nimmt nur so viel wie er essen kann. Es muss aufgegessen werden. Und jeder nimmt nur so viel, dass auch garantiert für alle etwas übrig bleibt.

Dem kleinen Mädchen mit dem viel zu großen Schöpflöffel sage ich, dass ich gerne von beidem eine kleine Portion zum Probieren hätte. „Bist du Lactose-intolerant?“ werde ich höflich aber bestimmt gefragt. Nein, bin ich nicht, ich würde das aber gerne probieren, meine ich. „Dann kriegst du nichts!“ Ich versuche das Mädchen mit vielen unnützen Worten zu überreden, doch sie bleibt hart. Keine Schupfnudeln für mich! Enie rettet mich aber dann und kann ein gutes Wort für mich bei dem kleinen Mädchen einlegen. Diese legt mir äußerst skeptisch drei Schupfnudeln auf den Teller und fordert mich zum zügigen Weitergehen auf. Meine Portion Knödel mit Schwammerl bekomme ich dann recht freundlich serviert und es wird mir ein guter Appetit gewünscht. Hinter mir stehen schon Kinder für die dritte Portion an, es schmeckt also vermutlich gar nicht so schlecht.

Stimmt! Eine Prise Salz fehlt, aber sonst schmeckt es einfach klasse! Die Knödel sind schön luftig und die Schwammerlsauce ein cremiges Träumchen. Auch die Schupfnudeln sind 1A. Hier lässt es sich aushalten! Das Ganze sieht zwar etwas rustikal angerichtet aus, weil die Kinder kaum über den Topf kucken können und so nicht genau auf den Teller zielen können, aber Hauptsache es schmeckt. In die Sauce hat sich sogar ordentlich frische Petersilie verirrt – herrlich! Michi stimmt mir zu und nickt wohlwollend.

Abschließend will Michi noch ein paar nette Bildchen schießen. Nun wäre es natürlich super, wenn ein paar Kinder ihre volle Kluft anziehen würden. Ein kurzer Befehl von Stammesvorsitzender Enie und 15 Kinder stehen in perfekter Pfadfinder-Montur vor uns, bereit zum Fototermin. Wahnsinn, wie gut hier alles funktioniert, ich bin begeistert. Mein Kind kommt mal zu den Pfadfindern, soviel ist klar!

Abschließend drucke ich hier noch die 8 Pfadfindergesetze, nach denen ich in Zukunft handeln werde. Und ihr hoffentlich auch.
Als Pfadfinder/als Pfadfinderin…
… begegne ich allen Menschen mit Respekt und habe alle Pfadfinder als Geschwister.
… gehe ich zuversichtlich und mit wachen Augen durch die Welt.
… bin ich höflich und helfe da, wo es notwendig ist.
… mache ich nichts halb und gebe auch in Schwierigkeiten nicht auf.
… entwickle ich eine eigene Meinung und stehe für diese ein.
… sage ich, was ich denke, und tue, was ich sage.
… lebe ich einfach und umweltbewusst.
… stehe ich zu meiner Herkunft und zu meinem Glauben.

Bis bald,
Timi

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom Juni 2013.
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