Zur Geschichte der öffentlichen Schwimmbäder
Teil 2: Das Schwimmbad in Lerchenfeld (1902)

Im Sommer 1863 hat Freisings erstes öffentliches Schwimmbad seine Pforten geöffnet. Es lag in den Isarauen, genau auf dem Areal, auf dem heute das Volksfest veranstaltet wird (vgl. zum ersten Schwimmbad den Bericht in der Ausgabe 3/2013). Nicht einmal 40 Jahre später, Ende des Jahres 1900, begann man von Seiten der Stadtpolitik mit der Planung eines neuen Freisinger Schwimmbades. Gründe für einen völligen Neubau gab es mehrere: Zum einen entsprach das bisherige Schwimmbad in den Isarauen keineswegs mehr den Anforderungen einer rasch wachsenden Stadtbevölkerung; es bestand aus einem kargen, rund 102m langen und 10m breiten Becken, Räumlichkeiten wie Umkleidekabinen oder Duschen waren nur begrenzt bzw. gar nicht vorhanden. Zum anderen wies das Badewasser, das über einen Kanal der Isar entnommen wurde, vergleichsweise niedrige Temperaturen auf. Besonders letztere Tatsache dürfte entscheidend dafür gewesen sein, dass bei der im Jahr 1901 begonnenen Suche nach einem geeigneten Standort für den Neubau der Platz des alten Bades relativ schnell ausgeschieden ist.

Die Initiative zum Bau eines neuen, modernen Bades ging zweifelsohne vom damaligen Freisinger Bürgermeister Stephan Bierner aus. Relativ genau ein Jahr bevor die Aktenüberlieferung zur Planung des neuen Bades einsetzt (Dezember 1900), trat Bierner, 32-jährig und aus Ingolstadt gebürtig, sein Amt in Freising an (Dezember 1899). Unter den zahlreichen Bauprojekten, die während Bierners Amtszeit (bis 1933) in Freising verwirklicht wurden, steht das Schwimmbad ganz zu Beginn.

Anders als bei der Standortsuche zum ersten Schwimmbad 1861/62, die eher nach dem Augenschein und einigen praktischen Erwägungen der Mitglieder des Stadtmagistrates erfolgt war, unternahm man nunmehr, 1901, umfangreiche technische Voruntersuchungen, um ein geeignetes Einspeise-Gewässer für den Schwimmbad-Neubau zu finden. So hatte man beispielsweise über das Jahr 1901 hinweg zu allen möglichen Jahres- und Tageszeiten die Messung der Wassertemperatur mehrerer entsprechender Gewässer veranlasst. Verschiedentlich entnommene Wasserproben wurden ferner an die „Königliche Untersuchungs-Anstalt für Nahrungs- und Genussmittel zu München“ geschickt, um eine Bewertung der Wassergüte zu erhalten. Bei den untersuchten Gewässern handelte es sich zunächst unter anderem um den von der Isar abgezweigten Kanal, der das bisherige Schwimmbad in den Isarauen mit Wasser versorgte, um ein Areal an der Amper bei Zolling, den Lohmühlbach (Lerchenfeld), das Moorbad der Gemeinde Attaching und den Pförreraugraben am sog. Eschengarten (von den Pförrerauen kommend, wenige Kilometer südlich der heutigen Stadtgrenze am östlichen Isarufer gelegen). Letztere beide Gewässer wurden sodann näher untersucht, bis sich der Stadtmagistrat Ende 1901 schließlich für den Pförreraugraben als Einspeise-Gewässer entschied. Das Areal, auf dem der Schwimmbad-Neubau entstehen sollte, musste einerseits aus Gründen der Erreichbarkeit möglichst in der Nähe der Stadt, andererseits aber in einiger Entfernung zum Pförreraugraben liegen, denn je länger die Strecke des (neu zu errichtenden) Verbindungskanals, der das Wasser des Grabens zum Schwimmbad führte, war, desto mehr konnte sich das Wasser erwärmen. Somit kam idealerweise ein Standort in der Nähe der Isar, nicht allzu weit vom südlichen Brückenkopf der (heutigen alten) Isarbrücke entfernt, infrage. Ein Grundstück, das der Heiliggeistspital-Stiftung Freising gehörte, schien günstig. Im Januar 1902 trat Bürgermeister Stephan Bierner in Grundstücks-Kaufverhandlungen ein, die relativ zügig erfolgreich abgeschlossen werden konnten.

Um das neue Bad, das eindeutig als ein Prestige-Projekt der damaligen Stadtpolitik anzusehen ist, finanzieren zu können, musste man jedoch einen Kredit von 75.000 Mark aufnehmen, eine gewaltige Summe für das damalige Freising. Der Schuldentilgungsplan, der von Seiten der Regierung von Oberbayern im Zusammenhang mit der Genehmigung dieses Kredites gefordert wurde, sah für Zinsen und Tilgung eine jährliche Summe von 3.400 Mark vor; demnach wäre der Schwimmbad-Kredit 1957 abbezahlt worden. Um jedes Jahr feste Einnahmen zu generieren, hatte man unter anderem mit etlichen ansässigen Bildungseinrichtungen Nutzungs- und Abgabevereinbarungen getroffen, genau wie schon im Fall des ersten Schwimmbad-Projektes.

Die zu Beginn des Jahres 1902 gefertigten Pläne sahen für den Bau der Anlage ein schmalrechteckiges, umzäuntes Areal vor, das im Wesentlichen von den beiden Schwimmbecken, einem Damen- sowie einem Herrenbecken, eingenommen wurde. Dieses ursprüngliche Schwimmbad-Areal lässt sich noch heute im vorderen Bereich (Damen-, Herren- und sog. Krakebecken) ablesen. Für das Herrenbecken waren die stattlichen Maße von 80x12m, für das Damenbecken 18x12m vorgesehen. Während auf der Ostseite (Rückseite) größtenteils Sitzbänke, Rasenstreifen und die Umzäunung angelegt wurden, hatte man entlang der westlichen Längsseite (Eingangsseite) eine Vielzahl für den Betrieb notwendiger Gebäudeteile errichtet. Mittig lag das Kassen- oder „Wächterhaus“, wie es 1902 bezeichnet wurde, das zwei getrennte Eingänge, je einen für Damen und Herren, besaß. Über dem Kassenraum im Erdgeschoss lag die Wohnung des Bademeisters. Auf der Innenseite hielt man die Geschlechtertrennung weiter strikt durch: Von der Innenwand des Kassenhauses verlief bis zur gegenüberliegenden Umzäunung an der Ostseite eine Trennwand. Seitlich des Kassenhauses schlossen jeweils eine „Dousche“, ein „Abseifraum“ sowie ein „Trockenraum“ an. Auch die „Auskleid-Kabinen“ fehlten nicht. Eine Besonderheit dürften die im Damen- wie im Herrenbecken je sechs „Bade-Kabinen“ gewesen sein: Aus Holz errichtete, vom jeweiligen Schwimmbecken abgetrennte Badebereiche, die ein Bad in privaterem Charakter ermöglichten, freilich nicht ohne Aufpreis. Einen ganz eigenen Charakter verliehen der Anlage die beiden hölzernen Ecktürmchen im Nordwest- bzw. Südwesteck; über ihre Errichtung wurde diskutiert, jedoch beschloss der Stadtmagistrat am 10. April 1902, dass diese „des vorgesehenen Effektes wegen“ in jedem Fall auszuführen seien. Unter dem Weg, der zwischen der Bebauung auf der Eingangsseite und den beiden Becken lag, verlief der „Schwimmbadkanal“, der – wie oben erwähnt – von den Pförrerauen das Wasser des Pförreraugrabens über mehrere Kilometer ins Schwimmbad führte; auf der Nordseite verließ er das Areal wieder und wurde in Richtung der Erdinger Straße über einen weiteren Graben, damals als „Herdergraben“ bezeichnet, abgeleitet.

Die Pläne erhielten am 13. Februar 1902 die Zustimmung des Stadtmagistrates, kurz darauf auch die Zustimmung des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten (bis 1919 galt für bayerische Kommunen die sog. Magistratsverfassung, ein Zweikammersystem aus Magistrat und Gemeindebevollmächtigten; erst dann wurde die bis heute gültige Ratsverfassung, ein Einkammersystem, eingeführt). Die einzelnen Gewerke wurden fast ausschließlich an Freisinger Firmen vergeben, so zum Beispiel die Maurerarbeiten an das Bauunternehmen Alois Steinecker, von welchem sehr wahrscheinlich auch die Planungen für das Bad stammen; den Zuschlag für die Zimmererarbeiten erhielt Zimmerermeister Karl Kriechbaum, die Schlosserarbeiten Schlossermeister Franz Xaver Entleutner. Die Arbeiten mussten bis zum 1. Juni 1902 abgeschlossen sein.

Tatsächlich konnte man das neue Freisinger Schwimmbad am 4. Juni 1902 seiner vorgesehenen Bestimmung übergeben. Im Freisinger Tagblatt wurde dazu berichtet: „Mit dem heutigen 4. Juni ist der Einwohnerschaft Freisings und Allen, welche dieser Stadt einen kürzeren oder längeren Besuch abstatten, eine Anstalt übergeben worden, die nach ihrer ganzen Anlage dazu angetan ist, in hygienischer Beziehung eine Lücke auszufüllen, welche bislang allseits schwer empfunden wurde und ohne deren Realisierung es absolut unmöglich gewesen wäre, die von allen Seiten so sehr gewünschte Hebung des Fremdenverkehrs in praktische Bahnen zu leiten. Somit bedeutet der heutige 4. Juni, als Tag der Eröffnung des neuen Schwimmbades, in mehr als einer Beziehung einen hochbedeutsamen und wichtigen Abschnitt auf dem Gebiete des Kulturlebens für unsere Stadt […]“

Gut drei Jahrzehnte später kam es unter den Nationalsozialisten zu den ersten größeren Umbauten. Die Geschlechtertrennung im Bad wurde 1934 aufgelöst, stattdessen ein sog. „Familienbad“ geschaffen. Durch den Ankauf weiterer Grundstücke konnte die Fläche nach Osten hin erheblich erweitert werden, so dass der Platz unter anderem für ein Sonnenbad und ein neues Sammelumkleidegebäude vorhanden war. Die hölzernen „Bade-Kabinen“ an den Beckenrändern wurden beseitigt, zudem ein Planschbecken für Kinder ausgehoben. In der Südwestecke kam eine eigene „Schwimmbad-Restauration“, also eine kleine Gastwirtschaft, zur Ausführung.

Eine weitere Vergrößerung erhielt das Freisinger Schwimmbad 1964: In diesem Jahr wurden im hinteren Bereich das große Wettkampfbecken und der Sprungturm gebaut. Inzwischen lief die Wasserversorgung des Bades nicht mehr über das Wasser des Pförreraugrabens, sondern über Leitungswasser. Viel Geld investiert hatte 1970/71 die Münchner Olympia Baugesellschaft mbH; das Schwimmbad diente 1972 einige Wochen als Trainingsbad. Ohne wesentliche städtische Mittel aufzuwenden, kam man so in den Genuss einer Generalsanierung.

In den letzten Jahren haben die Stadtwerke Freising, seit 2006 Träger der Freisinger Bäder, nachgerüstet, die Edelstahlbecken sind ein sichtbares Zeugnis dafür. Nach derzeitigem Stand soll in den kommenden Jahren auf dem alten Schwimmbad-Gelände ein neues Freisinger Freizeitbad (Innen- und Außenbereich) errichtet werden. Damit der großzügige Park-Charakter des traditionsreichen Bades durch die Neubauten nicht verloren geht, braucht es klar formulierte Vorgaben der Stadtpolitik und eine rücksichtsvolle Planung.

Dieser Artikel erschien im FINK-Magazin vom April 2013.
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